ALTERRA: Die Gemeinschaft der Drei (PAN) (German Edition)
und ein breites Feld aus Gras, vereinzelten Weiden und Farnen trennte das Ufer vom Waldrand. Wer sie belauern wollte, musste sich über zwanzig Meter entfernt in den Bäumen verstecken, und von dort war nicht zu hören, was sie sprachen.
Der Nachteil war allerdings, dass sie auf den Stegen wie auf dem Präsentierteller saßen. Der Waldrand hinter ihnen bildete einen über fünfzig Meter langen Halbkreis. Auch wenn es unmöglich war, sie zu belauschen oder genauer zu beobachten, ohne aus der Deckung zu kommen, konnte sich ein guter Schütze leicht darin verstecken und in Ruhe auf sie zielen. Doch die Gemeinschaft der Drei war so auf Geheimhaltung bedacht, dass sie dieses Risiko in Kauf nahm.
Matt saß am Ende eines Stegs und ließ die Beine über dem Wasser baumeln. Ambre hockte neben ihm, Tobias hinter ihnen. Sie waren in eine eifrige Diskussion vertieft. Tobias, der Zappelphilipp, gestikulierte wie wild, und Ambre beugte sich immer wieder zu Matt, um ihn nach seiner Meinung zu fragen. Der schien so in seine Gedanken versunken zu sein, dass er sich nicht rührte und nur schweigend zuhörte. Er hatte Plusch verboten mitzukommen, und die Hündin hatte sich beleidigt wieder in den Wald verzogen.
Zwei Stunden vergingen. Ihre Unterhaltung war abgeflaut und wirkte weniger lebhaft, als sich jemand hinter einen Baum am Waldrand schlich. Er konnte nicht näher heran, ohne gesehen zu werden. Die Distanz zwischen ihm und den drei Geheimniskrämern betrug etwa zwanzig Meter. Er nahm seinen Bogen, steckte fünf Pfeile vor sich in die Erde und legte einen sechsten auf. Dann spannte er die Sehne und nahm sein Ziel ins Visier.
Es musste getan werden. Diese drei Pans mussten sterben, sonst würden sie die Insel uneinnehmbar machen. Der Verräter war nicht stolz auf sich, aber er musste seine Haut retten. Die Pans hatten keine Chance, gegen die Zyniks zu bestehen. Es war besser, sich auf die Seite der Gewinner zu schlagen, solange man noch die Gelegenheit dazu hatte. Und er hatte seine Wahl getroffen.
Der Zufall – er selbst nannte es Glück – hatte ihn in die Arme von vier Zyniks getrieben, als er im Wald Holz sammelte. Er lebte schon seit zwei Monaten auf der Insel und fühlte sich dort nicht wohl, die anderen waren ihm viel zu kindisch. An jenem Morgen war er zur Arbeit außerhalb der Insel eingeteilt worden, und die vier Zyniks stürzten sich auf ihn, als er eine Talsenke umgehen wollte. Er flehte sie an, ihm zuzuhören. Er war bereit, ihnen zu folgen. Er wollte nicht länger bei den Jugendlichen und Kindern bleiben, sondern zu den Erwachsenen gehören und in ihrer sicheren Welt leben. Nach langem Zögern berieten sich die Zyniks, und er ahnte, dass sein Schicksal an einem seidenen Faden hing. Da boten sie ihm einen Handel an: Er würde nicht mit ihnen kommen, jedenfalls nicht sofort, aber er sollte ihnen als Spion dienen. Sie waren nicht gekommen, um Pans zu entführen, sondern wollten die Gegend erst nach »Nestern« auskundschaften, die sie später angreifen konnten. Wenn er ihnen gute Dienste leistete, würde er sich nach der Eroberung der Insel in ihre Reihen eingliedern können.
Mehr konnte sich der Verräter nicht wünschen. Sie vereinbarten eine raffinierte Art und Weise, um miteinander zu kommunizieren. Während einige Kundschafter sich in der Gegend auf die Lauer legten, gingen andere Zyniks eine kleine Armee holen. Bis in den Südosten und zurück würde der Marsch mehrere Monate dauern, aber er sollte sie in der Zwischenzeit über die Ereignisse auf der Insel auf dem Laufenden halten und alles vorbereiten, damit sie angreifen könnten, sobald die Armee angerückt sei. Zuletzt beschlossen sie, dass sie warten würden, bis er zur Brückenwache eingeteilt war. So konnte er ihnen Einlass verschaffen, während die Pans schliefen. Und gerade als die Armee endlich eingetroffen war, hatten die Probleme begonnen.
Ambre, Tobias und Matt waren eine Bedrohung, mit der er nicht gerechnet hatte. Sie hatten sich zusammengeschlossen, das Phänomen der Alteration erkannt und, schlimmer noch, die Pans dazu gebracht, sie auch zu benutzen. Sie gefährdeten den Erfolg des Überfalls. Gegen die schwerbewaffneten, mächtigen Zyniks hatten die Pans nicht den Hauch einer Chance. Aber wenn es ihnen gelang, ihre Alteration zu kontrollieren, sah die Sache anders aus. Zu Beginn hatte der Verräter noch zur Vorsicht geraten und sich damit begnügt, die Entwicklungen im Auge zu behalten, damit die Armee nicht in einen Hinterhalt lief.
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