ALTERRA: Die Gemeinschaft der Drei (PAN) (German Edition)
Stirn und atmete tief ein.
»Jedenfalls ohne bewusst zu denken, das ja. Sie handelt und reagiert auf ihre Umgebung, weil sie so programmiert ist. Denn das ist das Rätsel des Lebens und Überlebens: Jede Zelle eines Organismus, ganz gleich, ob es sich um eine Pflanze oder ein Tier handelt, muss leben. Und das Wesen, auf dem diese Milliarden von Zellen leben, gehorcht demselben Trieb – es muss leben und tut alles dafür, das ist sein Überlebensinstinkt, eine Art oberstes Gebot, die Grundlage unseres Seins.«
»Woher kommt dieser Lebenswille, dieser innere Antrieb? Ist das Gott?«
Carmichael lachte leise.
»Vielleicht, ja. Gott ist vielleicht nur ein gedankliches Konstrukt, um diese Lebensenergie zu beschreiben. Aber was wäre, wenn Gott nur der Funken im Innersten allen Lebens ist, wenn Gott wie die Erde wäre – ein Wesen ohne reflexives Bewusstsein, reine Energie, die wie Strom durch alles Lebendige fließt: das Prinzip des Lebens an sich?«
»In den Religionen wird er als Lebewesen dargestellt, nach dem Ebenbild des Menschen.«
Carmichael lächelte.
»Eher das Gegenteil: Der Mensch wäre das Ebenbild Gottes. Aber ich verstehe, was du meinst. Ich weiß nicht, was ich dir antworten soll. Jede Philosophie, jede Lehre muss sich mit dem Menschen und der Gesellschaft weiterentwickeln. War die Religion denn nicht gezwungen, ihre Vorstellungen nach und nach unserer Zivilisation anzupassen? Natürlich erzählt man dir heutzutage vom Paradies und von der Hölle, aber das sind nur Begriffe und Bilder, die der Mensch erfunden hat. Meiner Meinung nach sollte man vielmehr nach der Essenz Gottes fragen. Was ist er? Die Religionen besagen, dass Gott überall und in allem ist. Daraufhin antworte ich: Jene Energie, die Grundlage allen Lebens, könnte man Gott nennen.«
»Also glauben Sie an Gott.«
Carmichael nippte an seinem Glas und hob die Augenbrauen.
»Muss ich dir antworten? Ich will dich nicht beeinflussen. Aber nein, ich glaube nicht daran. Für mich ist Gott ein Gedankengebilde, das den Menschen einen Halt geben soll. Wenn ich allerdings meinen eigenen Gott definieren dürfte, würde ich ihn als hohlen Begriff beschreiben, als Sammelbecken für alle unsere unbeantworteten Fragen.«
Ambre unterdrückte ein Gähnen, was Carmichael zu belustigen schien.
»Das ist nicht gerade optimistisch«, bemerkte sie.
»Es gibt doch nichts Optimistischeres, als an das Leben und nur an das Leben zu glauben! Außerdem glaube ich, dass die Intelligenz des Menschen viel zu unterentwickelt ist, als dass er vollkommen verstehen könnte, was Leben heißt. Aber das ist nur meine bescheidene Meinung, Ambre. Lass dich davon auf keinen Fall beeinflussen. Wenn du an Gott glauben willst, dann tu es! Diesen Luxus kann uns keiner nehmen: Wir wählen selbst, woran wir glauben wollen. Ich denke, dass es genug Religionen auf der Welt gibt, um jedem Naturell gerecht zu werden. Glaube, woran immer du willst, aber nicht blind. Denke an das Prinzip des reflexiven Bewusstseins. Das kann man auch auf den Glauben anwenden: Sei dir immer dessen bewusst, was du glaubst, und hinterfrage alles.«
»Und … die Alteration? Wie ist es möglich, dass ein Junge nur durch Gedankenkraft Funken erzeugen kann? Das ist doch unglaublich! Ich habe überhaupt keine Erklärung dafür! Ich zwinge mich dazu, den anderen zu sagen, dass es nichts mit Magie oder Gott zu tun hat, aber manchmal zweifle ich selbst daran.«
»Nein, das ist keine Magie, die Alteration hat ja nichts mit Illusion zu tun. Wie funktioniert sie? Darüber weiß ich noch nichts. Aber ich vermute, dass eure Körper und Gehirne durch den Impuls formbarer geworden sind und ihr jetzt in der Lage seid, mit dem unendlich Kleinen in Kontakt zu treten.«
»Klein … wie Mikroben?«
»Viel kleiner!«, sagte Carmichael heiter. »Du weißt sicher, dass alles aus winzigen Partikeln besteht, aus Elektronen und noch vielem mehr! Alles, auch die Luft, setzt sich aus diesen Partikeln zusammen, die so klein sind, dass man sie mit bloßem Auge nicht erkennen kann. Ohne auf komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge eingehen zu wollen, kann ich dir sagen, dass ihr mit eurem Gehirn vermutlich auf diese Partikel einwirkt. Zum Beispiel, um Funken zu erzeugen: Wenn dieser Junge seine Gedanken darauf ausrichtet, kann er die Elektronen in Bewegung versetzen und sie wie Feuersteine aneinanderreiben, bis Funken entstehen.«
»Aber wir wissen nicht, was wir tun müssen. Wir wissen nur, dass wir uns stark
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