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Alterra. Im Reich der Königin

Alterra. Im Reich der Königin

Titel: Alterra. Im Reich der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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waren überdimensional, mit Blättern, die zuweilen die Größe von Surfbrettern erreichten. Je tiefer die Freunde in den Wald eindrangen, desto gewaltiger wurden die Bäume. Nach einer Stunde Fußmarsch konnte Matt die Wipfel nicht mehr erkennen.
    Das Licht wurde immer schummriger, und sie mussten höllisch aufpassen, nicht aus Versehen in ein Loch zu treten. Wenn sich einer von ihnen den Fuß verstauchte, waren sie verloren.
    Die riesigen bunten Beeren an den Büschen sahen hier noch saftiger aus, und Ambre musste wieder einmal all ihre Überredungskunst aufbieten, um Matt und Tobias vom Naschen abzuhalten.
    Plusch folgte ihnen mühelos, sprang geschmeidig über jedes Hindernis und ließ hin und wieder ein Haarbüschel zurück, wenn sie sich durch stachelige Brombeerstauden kämpfte.
    Den ganzen Tag über schlugen sie sich durch das Dickicht, hielten sich von besonders seltsamen Pflanzen fern, umrundeten Baumstämme vom Umfang eines Hauses, kletterten schroffe Böschungen hinauf oder machten einen Umweg, wenn sich eine mit Dunst gefüllte Senke vor ihnen auftat.
    Um die Mittagszeit schlangen sie hastig ein paar Bissen hinunter und brachen schnell wieder auf, da sie sich unwohl fühlten, wenn sie zu lange an ein und demselben Ort blieben.
    Sogar Plusch, die sich sonst durch nichts erschüttern ließ, schien unruhig zu sein. Sie hielt die Nase stets im Wind und drehte sich nach jedem verdächtigen Geräusch um, was ihre drei Begleiter nur noch nervöser stimmte.
    Tobias bemerkte als Erster die klebrige Substanz am Boden.
    Sie liefen gerade zwischen sonderbaren Pflanzen hindurch, die wie fünf Meter hohe Artischocken aussahen. Aus etlichen aufgeplatzten Stellen quoll eine zähe, bernsteinfarbene Flüssigkeit, deren süßlicher Duft Tobias unwiderstehlich anzog. Ehe Ambre ihn daran hindern konnte, tunkte er seinen Zeigefinger hinein und hielt ihn sich unter die Nase. Der Geruch war verlockend. Und kam ihm bekannt vor.
    Er steckte sich den Finger in den Mund.
    »Das ist Honig!«, rief er.
    Matt lief herbei, tauchte ebenfalls einen Finger in die sirupartige Flüssigkeit und leckte daran.
    »Schmeckt super!«, sagte er begeistert.
    »Seid ihr noch zu retten?«, protestierte Ambre. »Ist euch klar, dass euch das vielleicht umbringen könnte? Und was soll ich ganz allein mitten in diesem Wald tun, wenn ihr euch heute Nacht vor Schmerzen windet?«
    Matt unterbrach ihre Schimpftirade, indem er ihr einen dicken Klecks Honig auf die Lippen strich. Ambre war zu schockiert, um aufzuschreien; sie starrte ihn nur an, als hätte die Kränkung ihr die Stimme geraubt. Dann berührte ihre Zunge den Honig, und sie änderte ihre Meinung.
    »Stimmt, er schmeckt wirklich gut«, gab sie zu.
    »Kommt, wir füllen unsere Feldflaschen damit auf!«, schlug Matt vor.
    Jeder nahm eine Zweiliterflasche und begann, den Nektar aufzufangen. Währenddessen begutachtete Tobias die Risse in einer der Pflanzen.
    »Ob diese Stellen wohl von allein aufplatzen?«, dachte er laut.
    »Jetzt, wo du es sagst …«, sagte Ambre und sah ebenfalls genauer hin. »Eigentlich sehen sie wie Kratzer aus, und weiter oben und unten gibt es Kerben, die parallel verlaufen.«
    »Das sind Spuren von Krallen«, meinte Matt.
    »Glaubst du?«, erwiderte Tobias skeptisch.
    »Ganz sicher«, entgegnete Matt mit tonloser Stimme.
    »Und wenn es …«
    Tobias brach ab, als er sah, dass sein Freund auf den Boden zeigte. Ein Abdruck in der lockeren Erde. Etwa doppelt so groß wie der, den ein Elefant hinterlassen hätte, mit vier Rillen am vorderen Rand, die gut und gerne von mächtigen Krallen herrühren konnten.
    »Nichts wie weg hier«, sagte Ambre nur und packte ihre gefüllte Feldflasche ein.
    Hastig liefen sie weiter und sahen sich dabei immer wieder furchtsam um. Doch kaum hatten sie die Honig-Artischocken hinter sich gelassen, bot sich ihnen ein noch wundersameres Schauspiel.
    Im Licht der wenigen Sonnenstrahlen, die durch die Laubdecke drangen, glitzerten Tausende goldener Knospen an den Stengeln von etwa dreißig bis vierzig Meter hohen Blumen, die riesenhaften Tulpen glichen.
    Beim Anblick dieser schimmernden Decke gingen die drei Wanderer unwillkürlich langsamer. Bei näherem Hinsehen erkannten sie, dass es sich um gelbe Sporen von der Form und Größe eines Eispickels handelte. Plötzlich begannen die Gewächse zu zittern. Ein Windstoß, dachte Matt.
    Eine Spore löste sich von der Pflanze und segelte langsam zu Boden. Einige weitere wurden ebenfalls vom Wind

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