Alterra. Im Reich der Königin
rüber.«
Tobias tat wie geheißen, und ein Ast tauchte auf. Dann der Boden, nur einen Meter unter ihnen.
»Wir sind angekommen!«, rief er. »Wir sind unten! Wahnsinn, könnt ihr euch vorstellen, wie lang und stabil dieses Seil sein muss?«
»Ich stelle mir vor allem die Gefahren vor, die hier auf uns lauern«, erwiderte Ambre. »Ich habe keine Ahnung, wie dieses Teil funktioniert, aber es wäre vielleicht nicht schlecht, herauszufinden, wie wir damit wieder hochkommen.«
Matt öffnete das Schwingtürchen und sprang leichtfüßig ans Festland.
»Die Chloropanphylliker werden das schon ausgetüftelt haben. Na los, wir erkunden die Gegend.«
Noch bevor Ambre protestieren konnte, war Tobias ebenfalls aus der Gondel gehüpft, und so blieb ihr nichts anderes übrig, als ihnen zu folgen.
Matt hatte schon halb damit gerechnet, in einem undurchdringlichen Dickicht gelandet zu sein, doch zu seiner Überraschung stellte er fest, dass das Gelände gut begehbar war.
»Spürt ihr den Boden?«, fragte Ambre. »Da stimmt was nicht!«
Tobias ging in die Hocke und kratzte mit den Fingern in der Erde, bis eine Betonschicht zum Vorschein kam.
»Du hast recht. Vor dem Sturm war hier irgendetwas, und dieses Etwas ist noch nicht ganz verschwunden.«
»Leuchte mal hier lang«, meinte Matt.
Tobias streckte die Schale aus, und eine Mauer tauchte auf, die ein über fünf Meter hohes Holztor einfasste. Begraben unter einem unentwirrbaren Geflecht aus schwarzen Ästen und Blättern, stand ein riesenhaftes Gebäude.
»Ist das denn das Geheimnis, das sie um jeden Preis bewahren wollen?«, fragte Tobias erstaunt.
»Werden wir gleich sehen«, sagte Matt und lehnte sich gegen das Tor, das sich quietschend öffnete.
Sie durchquerten eine weite Eingangshalle aus Marmor, deren Boden von einer dicken Schicht aus Staub und Erde bedeckt war. Zwei gewaltige, mit Ornamenten verzierte Treppen führten nach oben.
»Beeindruckend!«, flüsterte Tobias ehrfürchtig. »Wo sind wir gelandet?«
Von den oberen Stockwerken kamen einige Glühwürmchen herabgeschwebt und kreisten wie ein Bündel kleiner brummender Dioden kurz um die drei Eindringlinge, bevor sie wieder in die Dunkelheit entschwanden.
Matt ging zur Treppe und stieg vorsichtig Stufe um Stufe hinauf, um keine unnötigen Geräusche zu verursachen. Oben angelangt, blickte er über die Brüstung nach unten, doch er konnte das Erdgeschoss schon nicht mehr sehen, da Tobias ihm mit dem Licht gefolgt war. Sie traten in einen langen Gang mit verglastem Dach, über dem tiefe Finsternis herrschte. Hin und wieder sahen sie ein paar schwarze Ranken am Glas kleben und wie Tentakel nach einer Ritze suchen. Sie kamen an mehreren leeren Sälen und an Räumen vorbei, die wie Schlafzimmer aussahen, doch auf den Bettgestellen lagen keine Matratzen mehr, und die Schränke waren alle leer.
»Immerhin wissen wir jetzt, wo sie sich mit Material eindecken«, bemerkte Matt.
Ambre nickte und fügte hinzu:
»Dieses Gebäude erinnert mich an eine Internatsschule.«
Tobias vergaß für einen Augenblick, dass es unter den Pans als unhöflich galt, nach der Vergangenheit zu fragen.
»Warst du etwa in einem Internat?«
Zu seiner großen Überraschung antwortete Ambre:
»Ja, ich wollte es sogar selbst.«
»Du wolltest ins Internat? Wieso denn das?«
»Wenn du merkst, dass deine Mutter den Loser, mit dem sie zusammenlebt, niemals verlassen wird, auch wenn der Typ sie ständig schlägt, dann bist du zu allem bereit! Ich habe meinen Stiefvater gehasst …«
Tobias starrte Ambre an. Sie hatte sich in Rage geredet.
»Das ist keine Schule«, unterbrach Matt sie. »Schaut.«
Er pochte mit dem Zeigefinger auf ein Schild im Gang. Darauf waren mehrere Räume mit Pfeilen ausgewiesen: »Empfang«, »Ruhesaal«, »Spielzimmer«, »Elternraum« und darunter: »Krankenstation A2«, »Krankenstation A3«, »Operationssäle« …
»Das ist ein Krankenhaus«, sagte er. »Ein Kinderkrankenhaus.«
»Na klar!«, rief Ambre. »Das lag doch auf der Hand! Torshan hat es uns selbst gesagt! ›Wir waren die Schwachen‹, meinte er. Und der Sturm hat das alles verändert.«
»Ist das ihr Geheimnis?«, fragte Tobias enttäuscht.
»Deswegen kannten sie sich schon vor dem Sturm.«
»Und das Krankenhaus hat sie in Chloropanphylliker verwandelt?«
Ambre schüttelte den Kopf, während die Wolke von Glühwürmchen wieder an ihnen vorbeischwirrte.
»Ihr Organismus war sehr empfindlich, daher war die Wirkung des Sturms bei ihnen
Weitere Kostenlose Bücher