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Alterra. Im Reich der Königin

Alterra. Im Reich der Königin

Titel: Alterra. Im Reich der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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Menschen gesündigt haben, mussten all ihre Nachkommen dafür büßen, doch das wird bald vorbei sein. Indem wir die Frucht unserer Fehltritte vernichten, werden wir geläutert.«
    »Indem ihr eure Kinder tötet?«, fragte Matt empört. »Das ergibt doch gar keinen Sinn, das ist blanker Wahnsinn!«
    »Die Kinder sind durch und durch schlecht, das ist nach der Katastrophe ganz klar ans Licht gekommen. Sie sind das Symbol unserer Verfehlungen, unserer Sünden.«
    »Wer hat denn behauptet, dass wir schlecht sind? Was für ein Quatsch! Wir wollen nur friedlich mit euch zusammenleben!«
    »Irrtum! Dass jeder von uns Erwachsenen sich in der Gegenwart von euch Kindern so beklommen und unwohl fühlt, dass ihn der bloße Anblick von Kindern rasend macht, liegt allein daran, dass ihr böse seid. Nur der Nabelring macht euch beherrschbar, ohne ihn würdet ihr alles in Frage stellen, alles ändern wollen! Ihr seid die Unbeständigkeit selbst!«
    »Das ist doch lächerlich. Ihr Erwachsenen, ihr seid wie Roboter, ihr gehorcht blind, ihr denkt nicht nach, ihr habt Angst vor allem, was ihr nicht kennt – wir Kinder hingegen, wir wollen lernen, erforschen, entdecken, wir entwickeln uns weiter!«
    »Was du da beschreibst, ist die reine Anarchie.«
    »Wozu ist das Leben denn gut, wenn man seine eigenen Kinder umbringt? Damit löscht man doch die gesamte Menschheit aus.«
    »Nicht wenn wir dadurch Gottes Barmherzigkeit wecken. Wenn er uns nach diesem Liebesbeweis unsere Sünden von einst vergibt, wird er uns die Tore zum ewigen Leben öffnen.«
    »Sie sind verrückt.«
    Der Berater war so hingerissen von seiner eigenen Predigt, dass er Matts Bemerkung überhörte und wiederholte:
    »Wir müssen demütig hinnehmen, dass die Kinder uns nur mehr dazu dienen, die Hautjagd zu Ende zu bringen, damit wir uns dereinst Gottes Gnade würdig erweisen können. Dann werden wir sie vernichten, werden jede Erinnerung an unsere Verfehlungen ein für alle Mal aus der Welt schaffen. Und ein Kind, ein einziges unter ihnen, wird uns dank seiner Haut an den Ort der Verheißung führen, an jenen Ort, an dem Vergebung möglich ist, an jenen Ort, wo wir zu ganzen Menschen werden. Die Königin weiß es, die Königin ist mit der Gewissheit erwacht, dass uns irgendwo, am Fuße eines Apfelbaums, die Erlösung erwartet. Sie ist unsere Königin, weil sie die Einzige unter uns ist, die mit einer Erinnerung, einer Gewissheit erwachte. Deswegen erwählte sie sich einen Apfel zum Wappen. Malronce hat es in ihren Träumen gesehen!« Er zog eine kleine Bibel aus seinem Gewand und warf sie auf den Tisch. »Dieses Buch liegt in allen Ruinen, wir haben es überall gefunden, überall! Es ist der Überträger unserer Vergangenheit in die Zukunft, und die Königin entschlüsselt es für uns.«
    Fanatiker!,
dachte Matt.
Die Zyniks werden von Fanatikern beherrscht! Einer Handvoll religiöser Eiferer, die alles glauben, was eine Verrückte, eine selbsternannte Königin ihnen sagt! Ich muss hier weg, bevor es zappenduster wird …
    Als wollte der Berater Matts schlimmste Befürchtungen bestätigen, griff er nach einem Messer, stieß es in eine Hühnerkeule und verkündete:
    »Bald wirst auch du bekehrt sein. Wenn die Königin dir die Augen geöffnet hat, wirst du wie wir alle bekehrt sein!«
     
    Draußen war es Nacht geworden, und in der Gondel verbreiteten Laternen ein sanftes Licht.
    »Was ist dieses Verlorene Paradies, das Sie gerade erwähnt haben?«, fragte Tobias.
    »Ewige Seelenruhe und Vergebung. Der Garten Eden, aus dem wir nach dem Sündenfall vertrieben worden sind.«
    »Meinen Sie diese Adam-und-Eva-Geschichte? Wie können Sie das noch wissen, wenn Sie sich nicht mehr an die Zeit vor der Katastrophe erinnern?«
    »Eine Handvoll Männer und Frauen, unsere spirituellen Lehrer, die große Kraft aus dem Glauben schöpfen, haben ihr Gedächtnis ebenfalls nicht ganz verloren. Das Übrige steht in den Bibeln, die sie gesammelt haben.«
    Das wird ja immer besser!,
fluchte Tobias innerlich.
Die Einzigen, die sich noch an irgendwas erinnern können, sind Perverslinge oder religiöse Fanatiker. Womit wohl bewiesen wäre, dass das Böse stärker ist als das Gute … Oder diese krankhaften Neigungen sind so eine Art Panzer gegen alle Säuberungsversuche von außen …
    »Eins habe ich bei dieser ganzen Sache mit der Erbsünde noch nie kapiert«, sagte er laut. »Warum sollen wir die Last von etwas, was unsere Vorfahren begangen haben, mit uns herumtragen? Das wäre in etwa so,

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