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Alterra. Im Reich der Königin

Alterra. Im Reich der Königin

Titel: Alterra. Im Reich der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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Unschuldstrinker in Wirklichkeit Bill hieß, ließ ihn in Tobias’ Augen gleich weniger furchterregend erscheinen.
    »So hieß ich früher.«
    »Früher? Sie meinen, vor der Katastrophe? Erinnern Sie sich an Ihr altes Leben?«
    »Nur in Fetzen.«
    »Ich dachte, dass alle Zyniks das Gedächtnis verloren haben.«
    »Viele, aber nicht alle.«
    Auf einmal fiel Tobias wieder ein, was Balthazar ihnen gesagt hatte. Manche Erwachsene waren so pervers, so erfüllt von ihren Lastern, dass sie durch diese Besessenheit gewissermaßen vor der Leere bewahrt wurden. Die Verderbtheit funktionierte bei ihnen wie ein Schutzschild, der einige Erinnerungen erhalten hatte. Unwillkürlich dachte Tobias an den allerersten Zynik zurück, dem sie begegnet waren: Johnny. Der Mann war zudringlich geworden, und Matt hatte ihn töten müssen, um sie beide zu retten. Auch Johnny hatte sein Gedächtnis nicht ganz verloren.
    Was für eine Welt, in der sich nur die Verruchtesten ihr wahres Selbst bewahrt haben und alle anderen wild oder gewalttätig geworden sind!
    »Komm, hier ist es zu windig, um sich zu unterhalten«, sagte der Unschuldstrinker und stieg die Leiter hinunter.
    Als sie wieder im Aufenthaltsraum waren, schenkte er sich etwas ein, was wie Whisky aussah.
    »Arbeiten Sie manchmal mit den Soldaten der Königin zusammen?«, fragte Tobias.
    »Nein. Aber ich bin bei der Entblößung dabei.«
    »Was ist das?«
    »Wenn die Soldaten die Käfige mit den gefangenen Kindern bringen, müssen sich die Pans in einer Scheune splitternackt ausziehen, und wir vergleichen ihre Haut mit der Zeichnung, die uns die Königin gegeben hat: der Großen Karte.«
    »Darum geht es also bei dieser Hautjagd?«
    »Genau. Die Königin hat seltsame Träume, die ihr den Weg weisen, auf dem sie uns zur Erlösung führen wird. Von Anfang an ist ihr immer wieder die Große Karte im Traum erschienen, bis sie sie irgendwann aufzeichnete und ihr klarwurde, dass es sich um eine göttliche Botschaft handelt. Wir sollen das Kind finden, das diese Zeichnung auf der Haut trägt.«
    »Und was geschieht dann mit ihm?«
    »Im Herzen des Reichs der Königin steht ein rätselhafter Tisch, auf dem sie nach der Katastrophe erwacht ist. Dieser Tisch zeigt eine Weltkarte. Wenn man die Haut jenes Kindes auf dem Tisch ausbreitet, wie sie es im Traum erlebt hat, dann lässt sich daraus ersehen, wo das Verlorene Paradies liegt.«
    »Aber das ist ja furchtbar! Das heißt, dass sie … dass sie das Kind töten will!«
    Der Unschuldstrinker grinste widerwärtig.
    »So ist es«, sagte er genüsslich.
    Da ging Tobias ein Licht auf. Wenn Malronce so versessen darauf war, Matt zu fangen, dann musste er dieses Kind sein.
    Die Zyniks würden ihm bei lebendigem Leib die Haut abziehen.

34. Träume und Zeichen
    D er Tisch des spirituellen Beraters war reich gedeckt.
    Vor Matt standen verschiedene Pasteten, gebratenes Huhn und Schalen voller Obst, doch der ranzige Geruch der Laternen verdarb ihm den Appetit.
    Eigentlich hatte er Schmerzen vorschützen wollen, um sich vor dem Abendessen zu drücken, aber der Berater hatte wieder mit Pluschs Auspeitschung gedroht, falls er nicht kam.
    »Sagen Sie«, begann Matt in der Hoffnung, seinem Gegenüber weitere Informationen zu entlocken, »gibt es einen bestimmten Grund, warum die Königin mich zu kennen glaubt?«
    »Redest du wieder von diesen Steckbriefen? Das habe ich dir doch schon erzählt: Sie träumt von dir.«
    »Also so eine Art Traumbotschaft?«
    »So ist es.«
    »Und wer oder was könnte hinter so etwas stecken?«
    Matt dachte an die Träume zurück, in denen ihm der Torvaderon erschienen war. Vielleicht würde er auf diesem Weg herausfinden, was es damit auf sich hatte.
    »Ich bitte dich! Gott natürlich!«
    Matt verschluckte sich an dem Stück Fleisch, das er gerade in den Mund gesteckt hatte.
    »Gott?«, fragte er ungläubig.
    »Aber natürlich! Er weist unserer Königin den Weg, und sie wird uns helfen, uns von unseren Sünden reinzuwaschen.«
    »Was denn für Sünden?«
    »Maßlosigkeit, Laster und – ihr!«, fuhr der Berater auf. »Die Kinder sind die Frucht unserer einstigen Sünden, durch die wir den Zorn Gottes auf uns gezogen haben.«
    »Wir haben doch gar nichts getan.«
    »Wir stammen alle von Sündern ab, die ihren Fluch an uns weitergaben! Dank Malronce wird das endlich ein Ende haben. So Gott will, werden wir ihm beweisen, dass wir Vergebung verdienen. Die Katastrophe war ein Zeichen, dass sich etwas ändern wird! Weil die ersten

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