Altes Eisen - [Kriminalroman aus der Eifel]
dazugerufen, als man alles abgesperrt hat.«
»Und dieses Grabmal hier? Was könnte der Bruder hier gewollt haben – oder sein Mörder?«
»Ich weiß es wirklich nicht, Frau Kommissarin.«
»Kennen Sie diesen Teil des Doms genau?«
»Ich bin seit mehr als zwanzig Jahren jeden Tag hier«, antwortete der Geistliche.
»Das ist gut! Dann sehen Sie sich bitte einmal alles hier genau an. Was fällt Ihnen auf? Ist irgendetwas verändert? Fehlt etwas?« Der Mann sah sich gründlich um. Dann schüttelte er stumm den Kopf.
Rita fragte weiter: »Was ist in diesem Raum so wertvoll, dass sich ein Diebstahl lohnen würde? Kann der Bruder vielleicht Kunstdiebe überrascht haben?«
Der Priester nickte. »Alles hier ist von unschätzbarem Wert. Vor allem die Bronzefigur des Erzbischofs Konrad von Hochstaden. Sie gilt als eine der bedeutendsten deutschgotischen Bronzeplastiken des dreizehnten Jahrhunderts. Aber sie zu stehlen würde einen beträchtlichen logistischen Aufwand erfordern.«
Rita wandte sich an ihre Kollegen, die mittlerweile die Leiche transportfertig gemacht hatten. »Schmitz, bitte setzt alles daran, dass der ganze Raum genauestens untersucht wird – und bitte in enger Zusammenarbeit mit Spezialisten von der Domverwaltung. Und sprecht, sobald sie vernehmungsfähig ist, mit der Frau, die den Toten gefunden hat.«
Zu dem Priester sagte sie: »Können Sie bitte veranlassen, dass meine Kollegen entsprechende Unterstützung erhalten? Hier müssen Kenner der Örtlichkeit und aller Kunstwerke mithelfen.«
Der Geistliche nickte zustimmend.
»Meister Schmitz, ich brauche bis morgen früh eine Liste mit allen Dingen, die hier fehlen, hinzugekommen sind oder irgendwie verändert scheinen. Der Herr Pfarrer hier besorgt euch die Spezialisten von der Domverwaltung.«
»Alles klar«, antwortete Schmitz. »Und was machen Sie jetzt, Chefin?«
Rita schaute auf ihre Armbanduhr. »Ich habe einen wichtigen Termin in Nideggen.«
»In Nideggen?«
»Ja«, sagte Rita und lächelte. »Opa Bertold wartet schon auf mich.«
2. Kapitel
Lorenz Bertold kraulte sich gelangweilt mit allen zehn Fingern den Bart. Dabei knurrte er vor sich hin: »Kommissar Wollbrand wusste nur zu gut, dass er immer länger würde warten müssen, je älter er wurde.«
Er stand von seinem Stuhl auf, ging um den Schreibtisch herum, setzte sich wieder hin und hämmerte eine Zeile in die Tastatur seines Computers. Dann schaute er misstrauisch auf den Bildschirm, so als müsste er die Existenz jedes einzelnen Buchstabens kontrollieren. Seine Enkeltochter Rita hatte ihm das Höllending aus dem ausgedienten Inventar der Kölner Kriminalpolizei besorgt, nachdem seine alte mechanische Schreibmaschine endgültig den Geist aufgegeben und alle Typen von sich gestreckt hatte.
»Wo bleibt denn das Mädchen?«, brummte Lorenz und tippte noch einen Satz. Dann griff er die Computermaus und klickte auf »Speichern«. Dies tat er nach fast jedem Satz. Der Computer übte durchaus einen gewissen Reiz auf Lorenz aus. Er dachte daran, wie viele Kommissare wohl ihre Berichte dort hineingetippt hatten und welche spannenden Fälle sich in die Speicherplatte gefressen hatten, bevor sie dann aus Datenschutzgründen leider wieder entfernt worden waren. Gelöscht und neu formatiert, hatte Rita das genannt.
»Kommissar Wollbrand hatte keine Ahnung, was dieses Ding in den unerfindlichen elektronischen Eingeweiden mit seinem Bericht anfing. Er wusste nur, er würde es sofort aus dem Fenster werfen, wenn es die Notizen jemals vergessen sollte.«
Lorenz stand wieder auf und ging unruhig in seinem Zimmer auf und ab. Er dachte daran, dass seine Freunde Gustav und Bärbel gerade einen Ausflug machten, den er abgesagt hatte, weil Rita sich angekündigt hatte. Gelangweilt setzte er sich wieder an den Computer, tippte noch einige weitere Gedanken, die Kommissar Wollbrand gerade durch den Kopf schossen, und speicherte den Text erneut ab. Sein in Ehren ergrauter Ermittler arbeitete gerade an einem Fall, in dem es um einen alten Kriegsschatz ging, für den einige Leute offenbar zu töten bereit waren. Lorenz grinste. Die Geschichte gefiel ihm. Vielleicht würde er diesen Krimi ja einmal an einen Verlag senden, wenn er fertig war.
Er sah auf die Uhr. Rita hatte sich für den Vormittag angemeldet, und nun war es bereits kurz vor zwölf. Eigentlich Zeit, das Mittagessen einzunehmen. Doch Lorenz hatte keinen Hunger. Er schimpfte in seinen Bart hinein: »Die Hälfte seines Lebens wartet der
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