Altes Eisen - [Kriminalroman aus der Eifel]
Landser vergebens.«
Wieder stand er auf und ging unruhig umher. Er trat ans Fenster und sah hinaus. Das grüne Tal mit seinen Sandsteinfelsen und dem dichten Wald lag in hellgrauem Herbstschleier. Lorenz’ Blick fiel auf die Ablage am Fenster, wo ein kleines silbernes Gerät herumlag. Noch so ein neumodisches technisches Ding, das Rita ihm geschenkt hatte. Handy nannte man das. Lorenz kannte diese Dinger schon lange, hatte aber selbst noch nie eines besessen. Benny, sein Pfleger, Rita und die anderen jungen Leute kamen gar nicht mehr ohne aus. Gut, auch Bärbel und Gustav besaßen eines. Nun er also auch. Lorenz betrachtete das Handy. Ein Knopf leuchtete dort in hektischem, auf-und abschwellendem Blaulicht. Bestimmt einer von Ritas Witzen. Lorenz griff sich das Telefon und sah das Display genauer an. Das blaue Leuchten ging von einem Symbol aus, das wie ein Brief aussah.
Lorenz grummelte vor sich hin: »Der alte Kommissar hatte sich noch nie von technischen Tricks beeindrucken lassen.«
Dann drückte er entschlossen auf den leuchtenden Knopf und las erstaunt, dass er eine Textnachricht erhalten habe. Einen Moment lang dachte Lorenz nach, was nun zu tun sei. Dann fiel ihm ein, was Rita ihm erklärt hatte. Wenn man dem Gerät »Ja« oder »Tu es« sagen will, immer den großen Knopf in der Mitte drücken. Seniorentauglich – Produktlinie Sechzig Plus. Der Alte schnaubte verächtlich. Tatsächlich erschien jedoch ohne weitere technische Tücken ein Text auf dem winzigen Bildschirm.
Bin noch an einem Tatort, komme leider später, Rita
.
Lorenz schimpfte: »Konntest du mir das nicht etwas früher sagen, du – du Ding du!«
Er sah auf die Uhrzeit, zu der Rita die Nachricht abgesendet hatte – halb acht. Das bedeutete, dass er eigentlich nun doch erst einmal den Speisesaal aufsuchen und etwas essen konnte. Er wusste, dass man sich als Leiter einer Mordkommission immer viel länger an einem Tatort aufhielt, als es in den Fernsehkrimis gezeigt wurde. Lorenz legte das Telefon beiseite und begann seine Schuhe zu suchen. Da klopfte es an der Tür. Lorenz tappte auf Socken zum Eingang. Während er durch das Zimmer schlurfte, rief er: »Wehe, du klopfst noch einmal. Ich bin nicht taub!«
Er drückte die Klinke nach unten und öffnete die Tür einen Spalt. »Der späte Wurm findet den alten Vogel, könnte man sagen«, begrüßte Lorenz seine Enkeltochter.
»Tut mir leid, Opa«, sagte Rita und küsste ihn auf die Stirn, noch bevor der Alte die Tür ganz geöffnet hatte.
»Ach was«, antwortete Lorenz. »Kein Problem, ich hab' doch deine SMS bekommen.«
»Na, das ist doch was«, lächelte Rita.
»Wo ist übrigens der riesige Kerl, den du mitbringen wolltest?«
»Paul hat sich spontan entschieden, doch ins Büro zu fahren, als ich zu einem Fall gerufen wurde. Eigentlich wollten wir einen gemeinsamen freien Montag machen, nachdem wir mehrere Wochenenden gearbeitet haben, aber so ist es eben, wenn man Bulle ist.«
»Schnickschnack«, winkte Lorenz ab. »Ich wünschte, ich hätte eure Probleme. Das ist doch wunderbar; du willst hier etwas tun, doch dann braucht man dich dort – für mich ist das längst vorbei. Genieße diese Zeit des Arbeitens, solange sie währt, das ist Leben!«
»Ich weiß nicht, Opa«, antwortete Rita. »Meine Arbeit ist nicht das Leben – sie ist vielmehr der Tod.«
Lorenz brummte etwas in seinen Bart, was sich für Rita verdächtig nach einer Bemerkung von Kommissar Wollbrand anhörte. Dann meinte sie: »Opa, du brauchst wirklich nicht neidisch auf meine Arbeit zu sein. Du hast dein Arbeitsleben gehabt, und du kannst jetzt immer noch viele tolle Dinge tun.« Und dann setzte sie lächelnd hinzu: »Wenn es nicht gerade die Verbrecherjagd ist!«
Lorenz' Augen begannen zu funkeln. Dann fragte er: »Was hast du heute Morgen erlebt? Wenn du deinen Opa Bertold schon so lange warten lässt, musst du wenigstens etwas erzählen.«
»Ach Opa.« Rita verdrehte die Augen. »Du bist unverbesserlich!«
Lorenz grinste verschlagen. »Mag sein, dass ich das bin. Aber ich weiß auch, wie nervig alte Leute werden können, wenn sie etwas haben wollen.«
Rita lachte. »Schon gut, ich erzähle dir von dem Fall. Gott sei Dank ist das eine Kölner Angelegenheit, weit weg von deiner schönen Eifel.«
»Na, dann riskierst du ja nichts – lass mal hören.«
Rita wollte sich setzen, doch Lorenz meinte: »Was hältst du davon, wenn du mir beim Essen berichtest? Einen Steinwurf von hier gibt’s einen Inder, der
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