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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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überzog Rosemaries Gesicht, ihr war, als sei sie schwitzig, ihr ganzer Leib brannte …
    »Und das Dach kommt näher, es wird so dunkel, Licht … Ach …«, schrie Mali plötzlich mit greller, freudiger Stimme. »Jetzt brennt es! Die Flammen, wie sie spielen, sie laufen durch das Haus … Päule!« Mit äußerster Kraft: »Päule, es brennt! Unser Unglück verbrennt …« Sie schrie ganz hoch, im gleichen Augenblick wankte sie …
    »Faß zu!« schrie Schlieker.
    Sie fingen sie auf, der Körper war ganz steif, die Hände verkrampft …
    »Laß sie auf die Erde, nein, nichts unter den Kopf, aber ein Handtuch auf die Brust. – Na, nun ist es richtig, jetzt hat sie wieder einen Anfall, den zweiten heute schon …«
    Er starrte. Er war ein ganz anderer Schlieker. »Und was für ein Theater! Wie sie angeben kann – ich hätte es nie gedacht!« Er sah sich scheu um. »Dachte ich doch wahrhaftig einen Augenblick, es brennte. Es brennt doch nicht, Marie?«
    »Nein«, sagte sie mühsam, mit leiser Stimme. »Es brennt nicht.«
    »Es ist«, sagte er und sah über die Liegende zu dem Mädchen hin, »wahrhaftig so, als ob sie eifersüchtig wäre. Diese alberne Gans – aber es ist nur ihre Krankheit. Lieber würde ich dich totschlagen, als dich einmal anfassen.«
    Er sah sie an, in diesem Blick war schon wieder der alte Schlieker, das Grauen war vorbei.
    »Wenn du denkst, Marie«, sagte er, »ich geb wegen so ein bißchen Theater klein bei, dann bist du dumm. Ich bin hier und ich bleibe hier, die Mali mag schreien, soviel sie will … Und du bleibst auch hier … So, jetzt ist es wohl vorbei. Faß an, wir legen sie auf ihr Bett. Ausziehen tu ich sie später. Stell auch die Tabletten hin, die der Doktor hiergelassen hat. Es hilft zwar nichts, das Dreckzeug, aber Rechnungen können sie schreiben, die Affen! So – und nun gehst du am besten schlafen. Du sollst sehen, wie nett ich es dir gemacht habe. Ja, dein alter Pflegevater scheut keine Arbeit, dich holt mir niemand weg.«
    Das Mädchen ging wortlos an ihm vorbei in ihr Zimmer.
    »Licht brauchst du wohl nicht? Na schön, ich hätte dir auch keins gegeben …«
    Er stieß den Riegel vor die Tür, daß es klirrte, und entfernte sich schlürfend, hüstelnd und kichernd. Rosemarie stand allein im Dunkeln.

21. KAPITEL
    Worin nichts klappt und Doktor Kimmknirsch mit Trinken anfängt
    Der Jugend verscheuchen die Sorgen noch nicht den Schlaf. Als sie vor ihrem Bett stand, meinte Rosemarie, vor Kummer und Herzeleid kein Auge schließen zu können. Aber kaum lag sie, kaum wurde der Körper warm zwischen den Federn, da wischte eine mildtätige Hand über die bös verkritzelte Schiefertafel, und alles war ausgelöscht. Nichts als tiefe, warme, sanfte Schwärze. Den Kopf in die Armbeuge geschmiegt, schlief Rosemarie, fest und sorgenlos – und sie hätte wohl bis in den nächsten Morgen hinein, bis zum Weckruf des verhaßten Schlieker geschlafen, hätte nicht ein ungewohntes Geräusch sie geweckt.
    Nur langsam entrang sie sich dem guten Schlaf, die Stimmen im Nebenzimmer führten sie eher in ihn zurück als hinaus, aber dann prasselte es wieder gegen die Scheiben …
    Rosemarie setzte sich auf. Nebenan sprachen in der plötzlichen Stille die beiden Schliekers miteinander, was, war nicht zu verstehen, aber die Stimme der Frau klang weinerlich-laut, Päules unterdrückt, beruhigend …
    Schon wollte sie sich wieder zurücklegen, da stob es prasselnd gegen das Fenster wie ein ganzes Hagelwetter, und Rosemarie war mit einem Satz aus dem Bett. »Die Jungens«, dachte sie freudig. »Meine Jungens – sie lassen mich doch nicht …«
    Draußen war noch etwas Mond, grade genug, daß sie ein paar Schatten sah. Die aber konnten sie nicht sehen im dunklen Fenster, schon wieder prasselte ein Handvoll Kies dagegen. Wenn Schliekers auch sprachen, wenn ihrFenster auch um die Hausecke herum lag, diesen Lärm mußten sie schließlich doch hören.
    Rosemarie faßte eilig den Fenstergriff, drehte, zog: das Fenster rührte sich nicht. Sie riß, der Rahmen knackte, aber das Fenster ging nicht auf. Während ein neuer Schauer Kies gegen die Scheibe flog und Rosemarie angstvoll ins Nebenzimmer lauschte, befühlte sie eilig den Rahmen. Gleich fand sie drei, vier umgeklopfte Nagelenden. Die Wut hatte Päule Schlieker an alles denken lassen, er hatte auch das Fenster vernagelt. Nicht zu öffnen.
    Aber die Jungens mußten um jeden Preis mit dem Lärm aufhören, sie brachten sich ja in Gefahr! Vom Bett riß sie das

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