Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
nicht alles zurecht. Denn wohin mit dem Jungen?«
    »Ja, wohin?« fragte der Professor ganz hilflos.
    »Wenn ich Sie mir so ansehe, Herr Professor, so kann ich mir Ihre Berliner Wohnung recht deutlich vorstellen, kein Stäubchen, und jeden Tag wird in allen Ecken gefegt. Und dazu der Junge, der Philipp Münzer, und vielleicht haben Sie auch noch so einen richtigen Hausdrachen …«
    »Nein, nein«, protestierte der Professor. »Eine sehr ordentliche, genaue Witfrau …«
    »Ich sage es ja«, sagte die Stillfritzen hochbefriedigt – »also doch einen Hausdrachen! Lehren Sie mich die Weiber kennen, die alte Junggesellen betreuen! – Zu Ihnen kann er also nicht. Aber bei uns ist der Hausdiener fort, und zur Bahn findet er schließlich doch hin in all seiner Düsigkeit und holt einen Koffer und bringt einen Koffer, und unsern Garten kann er uns auch umgraben, aber nicht so obenhin gekratzt, Junge, sondern ordentlich tief …«
    »Jau, Meestern!« ließ sich der Junge zum erstenmal vernehmen.
    »Na also, sehen Sie, Herr Professor. – Er fühlt schon, wo er hingehört. Und nun läßt du endlich mal deinen dämlichen Bierhahn los, Stillfritz, und sagst dem Nachbar,er hat ’ne Fuhre nach Unsadel. Denn jetzt nach dem Essen den ganzen Weg laufen, das ist für den alten Herrn zu weit, und das Geld für die Fuhre bezahlt er gerne. Hinten ist noch Platz für den Jungen und Herrn Gneis, und so hat jeder seinen Vorteil, und nur die ollen Pferde müssen sehen, wo sie bleiben in dem Sand!«

6. KAPITEL
    Worin alles anders kommt und Professor Kittguß ein heimlicher Flüchtling wird
    Den ollen Pferden war nicht anzumerken, daß sie unzufrieden waren: sie trabten vergnügt ins Land hinein, und auch allen auf dem Wagen war angenehm zumute. Das heißt, von dem Jungen war das so bestimmt nicht zu sagen, weil er noch immer stumm war. Professor Kittguß, dem nun in vierundzwanzig Stunden zum drittenmal der Unsadeler Landweg beschert war, sah diesmal ohne Gewissensbisse in den herbstlichen Sonnentag: in Kürze würde alles geregelt und jeder bestens zufrieden sein, und er würde heimkehren können zu seiner Apokalypse. Solchen Mut machte ihm der Gendarm Gneis.
    Der Kutscher neben dem Professor, ein behaglicher Kriwitzer Ackerbürger, beschränkte die Unterhaltung völlig darauf, daß er von Zeit zu Zeit mit der Peitsche zeigte: »Das ist Hübners Brache. – Köllers Seradella könnte auch besser sein. – Sieh da, hat der Neitzel wirklich schon den Weizen in der Erde.«
    Der Professor nickte dann mit dem Kopfe und sagte: »Ja so, ja so«, oder »Jawohl, jawohl«, und friedlich fuhren sie weiter.
    Es schien ihm schon die selbstverständlichste Sache, daßer da mit einem Wagen über Land fuhr, ein verdorbenes Schicksal hinter sich aufgehuckt und ein gefährdetes vor sich. Er fand alles so natürlich, daß er recht eigentlich auf ein bestimmtes Heckentor wartete und sehnlich wünschte, es säße ein Junge darauf, nämlich der Hütefritze, und sähe ihn zurückfahren, nämlich den Professor Kittguß.
    Aber das Heckentor war leer, und nur die Peitsche wies in die Lücke: »Wilhelm Gau seine Weide. Auch mehr Kattensteert als Klee und Gras!«
    »Ach ja, ach ja«, antwortete der Professor.
    Dann fuhren sie wieder hinaus aus dem Heckenweg, und das Dorf Unsadel lag noch immer am Wasser, und immer noch stieg der Laubwald drüben flammend uferan.
    Der Wagen rollte schneller und schneller, hinter der Windmühle kamen die ersten Häuser, und alles war wieder so still und verwunschen und ausgestorben, heute nachmittag wie gestern nachmittag.
    »Nanu!« sagte der Gendarm Gneis und wunderte sich sehr.
    Sie rollten am Krug von Otto Beier vorbei, und der Professor zog die Schultern hoch, denn die Schaben hatte er immer noch nicht vergessen. Aber vergeblich schaute er dann in den Hof vom lustigen Bauern Tamm, heute hing dort kein Bauer vom Baum, heute war dort kein Schinkenhüpfen. Alles war leer und still und verlassen.
    »Verstehst du das, Karl, wo sind die Leute?« fragte der Gendarm den Ackerbürger.
    »Es muß was los sein im Unterdorf. Vielleicht brennt es.«
    »Dann hätten wir Rauch sehen müssen, vorhin, als wir über die Kuppe kamen!« Gesicht und Stimme des Gendarmen wurden schon ganz dienstlich. Denn es stimmte was nicht, und was nicht stimmte, das hätte bei einigem Nachdenken Professor Kittguß erzählen können.
    Aber der dachte nicht nach, und so fuhren sie ahnungslos an das letzte Gehöft heran und: »Da haben wir ja den Salat«, sagte der

Weitere Kostenlose Bücher