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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Kriwitzer Ackerbürger und parierte die Gäule.
    »Was wollen denn hier all die Menschen –?« wunderte sich der Professor.
    »Natürlich Päule Schlieker« – brummte der Gendarm und kletterte, den Jungen fest am Kettchen, vom Wagen. »Das sage ich dir aber, Junge, wenn du jetzt in dem Gedränge ausritzen willst und blamierst mich vor all den Leuten –!«
    »Ach Gott, jetzt auch noch wieder der Professor!« rief die kräftige Frau Lowising. »Nun kommen auch Sie Unglückslamm zu all dieser Wirrnis und Frechheit …«
    »Natürlich, Karl, wenn was los ist bei uns, da müßt ihr Kriwitzer dabeisein!« lachte der dicke Bauer Tamm.
    »Gottlob, daß du kommst, Peter Gneis«, sagte der Gemeindevorsteher Gottschalk schwitzend. »Er gibt sie nicht raus, und rein verrückt ist er ja wohl auch vor Wut. Er läßt keinen ins Haus.«
    »Wer gibt wen nicht raus? Mach klar deine Meldung, Otto, dafür sind wir die Obrigkeit«, schnauzte der Gendarm, und ihm jedenfalls sah man die jetzt deutlich an.
    Doch da brach es schon durch den ungeordneten Haufen Volks, der sich an Päule Schliekers Gartenzaun und in Päule Schliekers Einfahrt und auf Päule Schliekers Hof drängte – da brach es durch wie ein riesiger Heerbann, und eben jene fünf Diakonissen waren’s, die der Professor heute am Vormittag gesehen und um die er seinen Zug versäumt hatte. Und genau wie am Vormittag hatten sie ihre Täschchen in der Hand und liefen eine hinter der andern im Gänsemarsch, und den Anfang machte der Mannskerl von Frau mit fliegenden Haaren am Kinn und den Beschluß die rotbackige Muntere wie frisch vom Lande.
    Aber ganz anders als am Vormittag hingen ihnen jetzt die Haare verwirrt unter den Hauben hervor, und ihreAugen funkelten, und ihre Gesichter waren weiß oder rot von Zorn.
    Der Mannskerl blieb vor dem Gendarmen stehen, und mit einem Ruck standen auch alle andern, und nur ihre Täschchen pendelten noch ein Weilchen.
    »Gottlob, Herr Gneis, daß Sie kommen«, keuchte die Große. »Seit vier Stunden stehen wir hier vorm Haus und bitten und flehen und geben gute und böse Worte, daß er uns einläßt und die Pflegekinder übergibt, wie er laut Anordnung vom Landrat zu tun hat. Aber da rührt sich rein nichts, die Schliekers sind vielleicht absichtlich weggefahren und lassen uns hier stehen …«
    »Da«, sagte der Gendarm und zeigte auf den Schornstein, aus dem leichter Rauch hochstieg. »Da, Schwester Adelaide!« Und als die ihn verständnislos ansah: »Säug linge können kein frisches Holz aufs Feuer legen. Die sind zu Haus, Schwester Adelaide, und lachen sich einen Ast, und nachher sagen sie, daß sie nichts gehört haben, weil sie geschlafen haben. – Aber ich an deiner Stelle hatte längst die Tür aufgebrochen, Gottschalk, und mit den Wippchen und der ganzen zivilen Unordnung hat es jetzt überhaupt ein Ende. – Runter da alle vom Hof!« schrie der Gendarm. »Ihr habt hier gar nichts auf fremdem Eigentum zu suchen! – Soll ich dir Beine machen, Frieda? Junge, weg von der Hofmauer!«
    Und mit Drängen und Schieben brachte er sie, immer seinen Gefangenen an der Kette, wirklich vom Hof und rief nun: »Jetzt! Mach das Hoftor zu, Gottschalk, und paß auf, daß keiner wieder reinkommt! Nur die Schwestern und du haben ein Recht hier – und höchstens noch der Professor – ja, wo ist der abgeblieben? – Na, egal, nun fange ich an!«
    Damit schlug der Gendarm Peter Gneis kräftig gegen die Haustür und schrie: »Hier Gendarmerie! Öffnen Sie,im Namen des Gesetzes, Herr Schlieker – oder ich tret dir deine ollen Fichtenbretter in ’en Klump, daß nie wieder eine Tür daraus wird!«
    Unterdes stand der Professor allein im Schliekerschen Garten. Die Menschenwoge hatte ihn vom Hof gespült, dann war er, ihr zu entgehen, ein paar Schritte um eine Hausecke gegangen und in den Garten geraten. Das war gut so, hier war er allein, schon war alles wieder zuviel gewesen, all die Menschen, ihr aufgeregtes Geschwätz, die Dinge, die geschehen waren und geschehen sollten, und an allem war er irgendwie beteiligt.
    Undeutlich hörte er das Trampeln gegen die Haustür, die hallenden, kräftigen Rufe des Gendarmen – er setzte sich langsam auf eine Bank, die im Windschutz von Jasmin, Flieder und Pfaffenhütchen stand, und legte seinen großen, schwarzen, weichen Pastorenhut neben sich. Gedankenlos starrte er auf die paar verunkrauteten Herbstblumen zu seinen Füßen, ebenso gedankenlos lauschte er auf den Lärm vom Hof, der sich immer noch

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