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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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aus!«
    »Immer ›Herr‹ Schlieker für Sie, Herr Wachtmeister Gneis«, griente Schlieker. »Ich versteh es ja, Sie sind bloß den Umgang mit solchen Verbrechern, wie Sie da einen an der Kette haben, gewöhnt, aber darum bleibe ich doch für Sie immer der ›Herr‹ Schlieker. – Ach, Philipp, mein Junge«, sagte er plötzlich ganz leise und zärtlich: »Freust du dich auch so, daß wir uns wiedersehen? Wirst dich heute noch immer weiter freuen, das verspreche ich dir, hoch und heilig.«
    »Lassen Sie die Faxen, Herr Schlieker«, antwortete der Gendarm böse. »Alles andere und der Junge dazu – das findet sich nachher. Jetzt geben Sie erst einmal die fünf Pflegekinder heraus. Es ist eine Sünde und Schande, daß Sie die Schwestern den weiten Weg hierher haben machen lassen, wo Sie schon dreimal vom Amt aufgefordert sind, sie freiwillig abzuliefern.«
    »Und habe ich sie denn nicht abgeliefert?« rief Schlieker maßlos erstaunt. »Heute in aller Frühe schon ist meine Pflegetochter mit den Kindern losgefahren, und jetzt müssen sie längst auf dem Amt sein!«
    »Das lügen Sie!« rief die rotbackige Schwester empört. »Ich habe doch ein Kind im Haus weinen hören!«
    »Herr Schlieker«, sagte der Gendarm überredend. »Was sollen solche Witze? Ich muß bloß Haussuchung machen, und Sie laden sich da Geschichten auf den Hals … Seien Sie doch ein einziges Mal sinnig und vernünftig und nicht immer mit dem Kopf durch die Wand!«
    »Aber ich bin sinnig und vernünftig! Ich sage Ihnen ja, die Kinder sind Klock fünfe auf das Amt gefahren. Wenn Sie nachsehen wollen, bitte schön, Herr Wachtmeister!«
    Und damit trat er aus der Tür und gab sie frei.
    Die andern flüsterten noch einen Augenblick miteinander, und er sah ihnen zu und grinste. Dann machten sie ihre Haussuchung, und daß die erfolglos bleiben mußte, das wissen wir ja schon. Aber die wußten es nicht und gingen von Raum zu Raum, und die dicke, bärtige Schwester ließ nichts aus, sondern fiel in eigener Person vor jedem Bett auf die Knie, um darunter zu sehen, und wühlte in jeder Kiste und in jedem Korb, als könne ein Kind unter altem Papier und Holzwolle liegen.
    »Vielleicht unterm Sofa, Schwester Adelaide?« fragte Schlieker freundlich und versetzte dem Jungen Philipp wieder mal heimlich einen Knuff in die Rippen. Das tat er, sooft er nur konnte. Der arme Kerl ließ sein armes Narrengesicht immer tiefer hängen, und die nun kommende Schliekerherrschaft schien ihm wohl so unerträglich – zumal seine Freundin Rosemarie nicht zu sehen war –, daß er all seine Verstandeskräfte zusammennahm und dem Gendarmen ins Ohr flüsterte: »De Koahn!«
    »Wie?!« fragte von der einen Seite der Gendarm, und von der andern bekam Philipp solch einen Puff, daß ihm fürs erste einmal die Luft ausging.
    »Vielleicht im Wrukenkeller, Schwester Adelaide?« fragte der Päule freundlich und lüftete einladend die Klappe. Überzeugt waren sie ja nun, daß wirklich nichts im Haus war und der Schlieker ihnen wieder einmal einen Streich gespielt hatte, aber die rotbackige Schwester stieg doch noch hinab und fand wiederum nichts.
    »De Koahn!« sagte der Junge dringlicher. Die ganze Hölle wartete auf ihn, das wußte er, aber was so einer, derihre Qualen schon kennt, für einen Mut haben kann, das geht manchem Gesicherten über alles Begreifen.
    »Der Kahn –?« fragte der Gendarm nachdenklich gedehnt. »Wat seggst du?« rief Schlieker jähzornig. »Was hest du to seggen! Hol din Mul o’er …« Und der Junge bekam das erste »oder« schon, einen Stoß nämlich, daß er gegen die Wand taumelte.
    »Lassen Sie das, Herr Schlieker!« verbot der Gendarm. »Natürlich der Kahn. Der dämliche Bengel ist schlauer als wir alle. Schnell nach dem Kahn!«
    Und schon liefen sie alle, als brennte der See, zum Bootssteg hinunter; vorauf der Gendarm Peter Gneis mit dem Jungen am Kettchen. Dahinter der dürre Gemeindevorsteher, schimpfend und brummend. Dahinter die fünf Schwestern, die alte Bärbeißige voran, die Rotbackige hintennach, und die Taschen flogen, so liefen sie. Und zu seiten des Zuges Päule Schlieker und seine Frau Mali – ja, auch die war plötzlich aufgetaucht und tuschelte mit ihrem Mann, tuschelte …
    Da aber lag der See vor ihnen, eine weite mattgrüne Fläche, unter einem blaßblauen Oktoberhimmel, und das Rohr stand still weithin an seinen Ufern.
    Plötzlich stand diese ganze aufgeregte Schar Menschen stumm da und starrte auf den See und Steg, als sei da etwas

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