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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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steigerte.
    Da ließ ihn ein nahes Geräusch zusammenfahren. Eine Hintertür aus dem Haus zum Garten hatte sich geöffnet, ein Gesicht spähte vorsichtig hinaus. Professor Kittguß kannte dies Gesicht, ihm wurde angst.
    Aber den Professor hinter seinen Büschen sah es nicht.
    »Los, Marie!« rief Frau Schlieker, »es ist keiner hier. Ich will doch sehen, ob die ihren Willen kriegen!«
    »Bitte nicht«, bat eine Stimme, die den Professor aufhorchen ließ. »Die Kinder können sich auf dem Wasser erkälten!«
    »I wo, in der halben Stunde! Marie!« bat die Frau, »tu mir einmal im Leben einen Gefallen. Ich will auch so nett zu dir sein, wie ich kann. Wir haben doch recht, wenn sie so kommen, fünf Schwestern, das ganze Dorf, der Schulze und nun auch noch der eingebildete Narr, der Gendarm –da sollen sie gerade ihren Willen nicht kriegen! Rosemarie!« bat die Frau. »Ich verspreche dir, morgen wollen wir die Kinder auf dem Amt abliefern. Nur heute nicht, wo
die
wollen!« Das Mädchen schien zu zögern, sich zu besinnen.
    »Tu es doch, Marie!« drängte die Frau. »Bitte!«
    »Und wir bringen sie morgen bestimmt zum Amt? Du versprichst es, Mali?«
    »Mein heiliges Ehrenwort, Rosemarie!«
    »Dann soll es so sein. Mir hilft auch keiner, nicht der Gendarm, der mich immer nur auslacht, nicht …«
    Der Professor stand auf.
    Da huschte es schon eilig hinter seinen Sträuchern vorüber, durch den Garten, zum See. Er hörte unterdrückt sprechen, eine Kette klirrte, dann weinte ein Kind.
    Er stand entschlußlos, die Frau lief wieder an seinem Versteck vorbei, verschwand im Haus. »Was tue ich, rufe ich den Gendarmen?« überlegte er.
    Die Frau kam zurück, noch ein Kind auf dem Arm. Blind und taub lief sie an ihm vorbei. Er folgte ihr durch den Garten, ans Wasser. In einem Boot saß wartend Rosemarie, sein Patenkind, die Kinder hockten oder lagen auf dem Bootsboden.
    »Hier, Marie!« sagte Frau Schlieker. »Also bis Dunkelheit bleibst du im Schilf versteckt. Und daß du keines von den Kindern schreien läßt! Ich habe den Nuckel von Erna mit eingebunden.«
    »Rosemarie!« rief der Professor voll Schmerz.
    Sie sah auf zu ihm, eine Röte stieg in ihre Wangen, wurde stärker … »Bist du doch da, Pate?« flüsterte sie.
    »Was machen Sie hier auf meinem Grundstück?!« fauchte die Frau böse. »Immer der alte Krauter, der zu nichts mehr gut ist. – Los, Marie!«
    Und sie gab dem Boot einen Tritt, daß es in den See schaukelte.
    »Ich mit!« rief der Professor überlaut und wagte auf seine alten Tage den Sprung.
    Er flog, die Tasche in der Hand, dahin über die Wasser …, sie erschienen ihm unendlich weit und gefährlich …
    Er landete irgendwo, stürzte, fiel. Mit dem Leib schlug er gegen etwas Hartes, ein atemraubender Schmerz durchfuhr ihn …
    »Zurück! Raus mit dem Alten!« rief die Frau am Ufer und faßte nach dem Bootshaken.
    »Fahr los!« befahl der Professor. Er saß gelblich, die Hand gegen den Leib gepreßt, auf dem Bootsboden und rang um Atem.
    Das Mädchen sah den Bootshaken näher kommen und legte sich in die Ruder. Das Boot schoß auf den See hinaus.

    »Was ist denn das für ein Skandal?« fragte Schlieker maßlos verwundert und öffnete die Tür, an der sie jetzt schon mit Kuhfuß und Brechstange wuchteten. »Herr Wachtmeister, das gibt eine Anzeige wegen Sachbeschädigung.«
    Er stand in der Tür, daß er sie versperrte, und sah überlegen grinsend auf die Wütenden. »Und du, Gottschalk, du alter Dussel, bildest dir auch ein, weil du Schulze bist, mußt du deine Nase in alles stecken. Meine Haustür bezahlst du!«
    »Keine Beleidigungen, Herr Schlieker«, sagte der Gendarm Peter Gneis wütend. »Wir haben lange genug geklopft und geschrien. Wenn es eine Anzeige gibt, so gibt es eine wegen Widerstand – und mit Geld ist es diesmal nicht abgemacht.«
    »Geklopft?« fragte der Schlieker lachend und wich nicht einen Tritt aus der Tür. »Geschrien? Ja, Herr Gneis, davon habe ich nun wirklich nichts gehört. Ich war im Keller und habe die alten Rattenlöcher mit Glas und Zement verschmiert. Im Keller hört man nichts, und deswegen darfeinem die Tür noch lange nicht kaputt geschlagen werden. So viel verstehe ich auch von Recht und Gesetz.«
    »Seht ihr«, sagte der Gendarm und sah Schwestern und Schulzen vorwurfsvoll an. »Genau, wie ich es mir gedacht habe! Genau so! – Aber, Schlieker, Schlieker, das kann ich Ihnen heute schon sagen und nehme es auf meinen Diensteid: Diesmal geht es schlimm für Sie

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