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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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sanft?«
    »Ich hoffe es«, sagte der Professor und setzte sich aufatmend auf die Ofenbank.
    »Habe ich gleich gesehen«, antwortete der Wirt zufrieden. »Also Hühnerbrühe? Ja? Wirklich –? Na, – denn schön und prost!«
    Er zapfte sich am Bierhahn ein halbes Glas, betrachtete es kummervoll, murmelte: »Trübe, trübe« – kippte es und sprach lebhafter: »In diesem Sommer, so zur Heuernte, wir haben manchmal sogar Autofahrer als Gäste, wegen der schönen Natur, ich verstehe nichts davon, aber meinetwegen, soll sie schön sein! Aber essen Sie was, jetzt bestelle ich Ihnen erst mal die Brühe! Sie sehen so bleich um die Nase aus. Nehmen Sie da meinen Kolben!« (Und der war wirklich erstaunlich blaurot.) »Ich werde meinem Feldwebel sagen, er soll Ihnen ein Ei reinschlagen.«
    Er stand tiefsinnig vor dem Gast und schlug sich die Serviette gegen die Hosen.
    »Sie wollten mir eine Tasse Hühnerbrühe bestellen«, mahnte der Professor, als nichts mehr kam.
    »Ja, richtig«, besann sich der Wirt, ging aus der Tür und war schon wieder da. »Daß einen heutzutage keiner mehr zu Worte kommen läßt, man vergißt seine eigene Rederei. Stehe ich also im Frühjahr hier unterm Torweg, und das tollste Gewitter geht herunter mit einem Gepladder wie aus Mollen, da spritzt ein Auto vor, so ein richtiger feiner Berliner Wagen … Und halten und Schlag auf und raus schießen zwei Damen und wollen hier rein … Ich aber stelle mich so recht breit hin und kriege die eine zu fassen und kriege die andere zu fassen und halte sie und sage ganz gemütlich: ›Nur nicht drängeln, meine Damen, es kommt jede rein. Wer ist denn nun die Feinste und hat den Vortritt?‹ Und der Regen pladderte runter auf sie und lief ihnen in den Nacken, und geschrien haben sie und gezappelt …« Er sah den Gast gespannt an und rieb sich wiedereinmal den Kolben, den Zinken, die Leuchtblüte. »Denken Sie, die haben den Spaß verstanden?! Nicht die Bohne! Geschimpft haben sie wie die Spatzen, und weggefahren sind sie ohne Einkehren. Was aber der Mann war, der dazu gehörte, der hat mich noch Pflaumenaujust geheißen – bin ich Pflaumenaujust –?«
    »Ja«, sprach der Professor mit fester Stimme. »Und wenn Sie mir jetzt nicht sofort die Hühnerbrühe bringen, gehe auch ich!«
    Vor diesen starken Worten war der Wirt Stillfritz bis ans Ende des Lokals gewichen. »Sehen Sie«, sagte er bitter und sah den Professor vorwurfsvoll an, »gibt man sich Mühe und erheitert die Gäste, gleich heißt man Pflaumenaujust. Scherz wird heute nicht mehr verstanden. Aber wie unsereinem dabei zumute ist, danach fragt keiner. Es ist ja nicht nur das Bier in den Hähnen, wenn Not am Mann ist, halte ich das auch allein laufend, es ist …«, er sah schielend zur Decke – »es ist noch ganz was andres. Es rieselt. Es fällt. Ich wünsche Ihnen ein Landhotel und jeden Sonntagmorgen pünktlich grauen Himmel und Regen, da wissen Sie, was Pflaumenaujust heißt … Die Hühnersuppe kommt sofort, Herr!« schnarrte er plötzlich und war aus dem Lokal, und der Professor saß allein.
    Ja, allein, und nun war es ruhig um ihn. Eine Fliege burrte noch einmal schläfrig, ab und an fuhr ein Ackerwagen vorüber, aus der Küche rummelte ein Topf, und jetzt schalt eine Frau, und weinerlich antwortete die Stimme vom Wirt Stillfritz. Eine Uhr schlug, und das Eheduett in der Küche ging weiter, des Professors Kinn sank tiefer auf die Brust und der Kopf ganz vornüber. Ach, was ist der Ofen schön gelinde warm! – Und so war denn Professor Gotthold Kittguß nach den Strapazen des gestrigen Tages ein bißchen eingeschlafen und hätte sich über alle Gewissensbisse weg bis zum nächsten Zug hingeschlafen …
    Wenn nicht plötzlich die Gaststubentür geräuschvoll aufgegangen und jemand sehr festen Tritts mit jemandem sehr müden und hinkenden Tritts einmarschiert wäre. Als aber der Professor aus seinem Nickerchen etwas verlegen hochfuhr, da stand der feste Jemand vor ihm, hatte die Hand an den Tschako gelegt und sagte militärisch: »Sie gestatten, daß ich den Burschen mit reinbringe. Denn wenn ich ihn draußen lasse, türmt er bloß. Er ist schon zweimal getürmt, und darum sieht er auch so aus. Denn wer nicht hören will, muß fühlen!«
    Damit blickte der Landgendarm Peter Gneis auf seinen Delinquenten und sagte bärbeißig, aber gar nicht böse: »So, mein Jungchen, dich hängen wir wohl am besten mit dem Kettchen hier an den Kleiderständer. Und wenn du dann mit einem Kleiderständer unterm

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