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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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steuern?«
    »Nein«, schüttelte der Professor betrübt den Kopf. »Ich fürchte immer wieder, ich werde dir wenig nützen können.«
    »Das macht nichts, Pate«, sagte sie tröstend. »Ich krieg den Schiet auch so klar. Ach Gott!« rief sie und schlug sich mit der Hand auf den Mund. »Schiet hätte ich sicher nicht zu dir sagen dürfen, aber ich habe es mir bei Schliekers soangewöhnt. Und, Pate«, meinte sie und stieß das Boot aus dem Schilf und ruderte in die Dämmerung hinaus, »manch mal ist es sehr gut, wenn man so ein Wort sagen kann, es erleichtert so.«
    »Ein Gebet, ein wirkliches Gebet erleichtert mehr. Und anders«, sagte der Professor.
    »Jaha«, meinte Rosemarie über dem Rudern. »Du bist auch viel älter als ich, Pate.«
    Und damit fuhren sie schweigend dahin über den See, bis es aus der beginnenden Dämmerung schwärzlich auftauchte und Rosemarie befriedigt meinte: »Habe ich es mir doch gedacht: noch nirgends ein Licht! Alle sind sie noch bei Schlieker.«
    Sie legten an, und die Häuser des Dorfes Unsadel standen still, dunkel und verlassen über ihnen.
    »Wohin bringst du denn die Kinder?« fragte der Professor, aus seinem Grübeln erwachend, als Rosemarie mit zwei Kindern fortwollte.
    »Den Tamms lege ich sie in die Stube«, flüsterte das Mädchen.
    »Das ist gut«, nickte der Professor befriedigt. »Frau Louise Tamm ist eine gute Frau.«
    Das Mädchen lief hin und her, hin und her, hin und her. »So«, sagte es, stieg wieder ins Boot und stieß ab. »Ich habe sie alle noch einmal geherzt und abgedrückt. Es ist doch schwer, solche Trennung, gut haben sie es bei uns nicht gehabt, sie werden es jetzt sicher besser bekommen – aber was wird wohl werden aus ihnen im Leben?«
    Sie ruderten eine lange, lange Zeit über den jetzt schon nächtlichen See.
    »Wohin fahren wir?« fragte der Professor einmal. »Es wird recht feucht und kalt.«
    »Wir sind bald da …«, antwortete sie, und ihre Stimme schien durch das Dunkel aus weiter Ferne zu kommen.
    Wieder verging lange Zeit, und dann legten sie an.
    »Komm, Pate, ich helfe dir«, flüsterte sie. »Bleib fein still stehen. Deine Tasche hole ich schon.«
    Der Professor Kittguß stand mit steifen Gliedern und schmerzendem Leib, unendlich müde, in einem nächtlichen Wald. »Was machst du da eigentlich?« fragte er nach einer Weile zaghaft.
    »Ich stoße das Boot in die Strömung, daß es hier nicht gefunden wird«, flüsterte sie. »Sonst würden die doch gleich wissen, wo wir geblieben sind.«
    »Und wo bleiben wir?« fragte er ängstlich. »Doch nicht hier im dunklen Wald?!«
    »Du wirst gleich sehen«, sagte sie. »So«, und sie nahm ihn bei der Hand. »Jetzt treibt das Boot schon draußen. Geh ganz langsam und vorsichtig, Pate. Wir sind gleich da.«
    Der Weg, wenn es ein Weg war, stieg uferan. Trockenes Laub raschelte unter ihren Füßen. Dann tat sich etwas wie eine Waldlichtung vor ihnen auf.
    »Siehst du das Dunkle dort?« fragte Rosemarie und zeigte.
    »Ja, vielleicht«, antwortete er zögernd.
    »Das ist der alte Kuhstall«, rief Rosemarie triumphierend. »Und da werden wir ganz ungestört wohnen!«
    »O Gott!« stöhnte der Professor.

7. KAPITEL
    Worin Rosemarie Thürke einen vollkommen ungesetzlichen Hausstand begründet
    Indem sie auf das Dunkle, auf den Schuppen, die Bude, den Katen, den alten Kuhstall zugingen, hob Rosemarie etwas wie einen Stein auf. Die schlimme Botschaft vom Nachtquartierim Stall hatte den müden Professor, und was an Protest in ihm steckte, wachgerüttelt, er beabsichtigte zu fragen, was das wohl für ein Stein sei und zu welchen Zwecken etwa …
    Aber Rosemarie hatte schon die Tür probiert, ließ den Stein fallen und sagte verblüfft: »Sie ist ja gar nicht verschlossen!«
    »Rosemarie!« fragte der Professor streng. »Du wolltest doch nicht etwa mit einem Stein aufschließen –?!«
    »Wenn ich keinen Schlüssel habe, ist solch Stein ein guter Schlüssel«, antwortete Rosemarie. Und leiser, aufgeregt flüsternd: »Pssst! Da ist schon jemand drin! Ganz still …«
    Es war draußen schon dunkel gewesen, völlig dunkel, sternenlose, mondlose Nacht. Aber hier drinnen im Gebäude war es so finster, daß einem die Dunkelheit wie eine schwarze Wand vor den Augen stand.
    Eine Weile standen sie lauschend.
    »Aber …«, fing der Professor wieder an zu protestieren.
    »Still doch!« flüsterte Rosemarie so ungeduldig, daß er zusammenfuhr. »Hör bloß …«
    Aus der tiefschwarzen Dunkelheit kam ein Geräusch wie ein

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