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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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sich mit der Hand über die Stirn und seufzte. Dann warf er einen jämmerlichen Blick auf die Einlieger des Boots, von denen nun schon drei schrien.
    »Und nun noch dazu alle diese Kinder«, seufzte er weiter. »Und ich glaube, ich bin nie in einem Kahn über die Wasser gefahren …«
    Das Mädchen mußte lachen, das überkam sie ob all dieser Hilflosigkeit. Aber sie brach gleich wieder ab und bat um Entschuldigung: »Verzeih, Pate, es ist nur alles so anders, als ich gedacht habe. Wie ich dir den armen Philipp schickte, da dachte ich an männliche Hilfe und Beistand. Der liebe Papa hat mir oft erzählt, du hieltest ganze Klassen mit dreißig, vierzig Jungens in Ordnung – und das muß doch furchtbar schwer sein –?«
    »Mit Milde nicht«, sagte der Pate sanft. »Jedes Geschöpf ist der Milde zugänglich.«
    »Ja«, sagte Rosemarie und betrachtete ihn nachdenklich. »Und
einen
Nuckel hat sie mir auch bloß mitgegeben, und jetzt schreien schon alle fünf. Die brauchen uns gar nicht zu suchen, das Gebrüll führt sie. – Möchtest du, daß sie uns finden?«
    »Nein, nein«, rief der Professor angstvoll. »Wenigstens nicht gleich. Ich möchte mich erst etwas erholen, sie redenalle so viel, und wir müssen doch auch einmal feststellen, wie ich dir eigentlich helfen kann.«
    »Vielleicht könnten wir zu dir nach Berlin fahren, Pate?«
    »Ja«, sagte der Professor. »Ja, wahrlich, ja!« Und wie eine freundliche Vision tauchte vor ihm sein Studierzimmer auf. Doch mit dem Zimmer zugleich der Junge, der Philipp. »Nein, nein, es geht doch nicht«, sagte er kummervoll. »Ich habe es versprochen, ich kann den Jungen, den Philipp, nicht in deren Händen lassen.«
    »Den Philipp –? Ist er denn wieder da?«
    »Ja. Der Mann von der Polizei bringt ihn an einem Kettchen zu Herrn Schlieker.«
    »Dann müssen wir ihn befreien, Pate!« rief Rosemarie. »Dann können wir nicht nach Berlin. Und wir können überhaupt nicht hin«, überlegte sie weiter. »Denn ich muß auf den Hof aufpassen, und sie würden mich auch gar nicht bei dir lassen. Sie haben ja noch das Recht auf ihrer Seite …«
    »Jaja«, sagte der alte Mann betrübt, denn der Gedanke an das stille Berliner Heim war einen Augenblick wie helles Licht in sein jetziges Dunkel gefallen, um gleich wieder zu erlöschen.
    »Lieber Pate«, fragte das Mädchen leise, »möchtest du nicht versuchen, mein Vormund zu werden? Die andern kümmern sich ja nicht um mich! Ich will auch sehen, daß du hier ganz ruhig und behaglich lebst. Und schon morgen gehen wir zu Frau von Wanzka und zu Kaufmann Mühlenfeldt, die sind jetzt meine Vormünder, und zum Amtsgerichtsrat Schulz und bringen das in Ordnung. Bitte, bitte, lieber Pate, es soll auch in aller Ruhe gehen.«
    »Ich glaube, ich verstünde nichts davon«, sagte der alte Mann bedenklich. »Ich bin kein Weltkind, Rosemarie.«
    »Ach, das macht nichts«, rief Rosemarie. »Ich will dir auch immer genau erklären, was sein muß. Tu es doch, bitte, bitte!«
    Sie hatte ihm die Arme um den Hals gelegt und den Kopf an seine Brust. So sah sie von unten zu ihm auf, und ihre schönen, unwirklichen Augen schwammen in klaren Tränen. »Ich bin erst sechzehn, Pate«, klagte sie, »und fast fünf Jahre geht nun der Jammer, erst mit den Gaus und nun mit den Schliekers. Nie habe ich ein offen Wort zu jemandem sprechen dürfen. – Doch! Doch!« rief sie und machte sich frei und sah ihn an zwischen Weinen und Lachen. »Mit den Tieren habe ich sprechen können und mit den Kindern. Alle Kinder, Pate, halten zu mir, hier im Dorf und in der ganzen Gegend.«
    »Siehst du, mein Kind«, sagte der alte Professor, »Gott lädt unsern Schultern nie mehr auf, als sie tragen können.«
    Sie sah ihn nachdenklich an, die weißen Zähne auf der Unterlippe. »Wirst du es tun?« fragte sie vorsichtig.
    »Ich werde es mir überlegen, mein liebes Kind«, sagte der Professor friedfertig. »Nun aber mußt du wohl einmal sehen, daß erst diese Kindlein versorgt werden. Oder werden wir sie mit uns nehmen?« Die Kindlein waren ruhig geworden, sie lauschten wohl auf das Gluckgluck des Wassers und das leise Reiben des Schilfs gegen die Bootwand.
    »Ja, die Kinder«, sagte auch Rosemarie nachdenklich, »meine kleinen Putschenutscher. Ach, Pate, du weißt gar nicht, wie süß sie sein können!«
    Der Patenonkel sah etwas hilflos auf die weiß und rosa Pakete.
    »Zu Schliekers sollen sie bestimmt nicht wieder. Und ich weiß auch schon, wohin ich sie bringe. Kannst du

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