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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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zugebunden.« – »Hast du kein Messer?« – »Mach doch schnell!« – »Einen Augenblick nur noch, Otsche. Hast du viel aushalten müssen –?« – »Wir müssen schnell machen, vielleicht kommt er zurück.« – »So!! Nun klettere hoch.« – »Ach, er hat die Leiter weggenommen.« – »Komm, nimm meine Hände und Alberts. So …!!! O Gott, Otsche!« rief sie und faßte ihren alten Jugendfeind um. »Daß wir dich nur wieder raushaben! Hat er dich sehr geschlagen –?«
    »Das wollte ich ihm geraten haben!« log Otsche Gau mit stolzer Stirn. »Schön Bescheid gesagt habe ich dem Schleicher! Geplatzt sind die vor Wut!«
    »Los! Los!« drängte Albert. »Was denkt ihr denn, wie lange ihr hier stehen könnt?! Los! Abmarsch!«
    »Nun nimm wenigstens deine Wäsche«, sagte ungerührt Otsche. »Das Theater will ich nicht umsonst gehabt haben. Such aus,
du
findest auch im Dunkeln.
Ich
weiß mit euern Schinkenbeuteln nicht Bescheid …«
    Eine helle Stimme piepte: »Otsche, lauf, was du kannst, nach Haus! Hütefritz schickt mich. Päule Schlieker ist zu Vater gegangen.«
    »Christa!« rief Otsche.
    »Christa Gau!« riefen Albert Strohmeier und Rosemarie.
    »Päule Schlieker ist bei Vatern«, piepte die Kleine atemlos. »Lauf, Otsche!«
    Otsche lief schon, als gelte es sein Leben.
    Aus dem Stallfenster schrie Mali Schlieker: »Päule, mach mich frei! P-ä-u-l-e! Der Junge ist weg!«
    Otsche lief …

11. KAPITEL
    Worin Gau beweist, daß er rauh, aber Schlieker, daß er mehr ist als ein Betrüger
    Hätte man jeden beliebigen aus Unsadel und Umgebung, die Landstadt Kriwitz eingeschlossen, vor den geheimnisvollen Wäschediebstahl Otsche Gaus, des geschworenen Feindes von Rosemarie Thürke, gestellt – hätte man diesen Fall etwa dem Dorfschulzen Gottschalk oder der Frau Stillfritz oder Tamms oder dem Gendarmen Peter Gneis oder gar dem Herrn Amtsgerichtsrat Schulz vorgelegt: sie hätten alle, alle mit den Köpfen geschüttelt und gesprochen: Dies verstehen wir nicht. Dies ist uns ein völliges Rätsel.
    Was aber kein anderer enträtselt hätte, das war Schliekers schon nach fünf Minuten sonnenklar. Der Bengel zwar, der verdammte, verstockte, hartschädlige Gaubengel, hatte trotz allen Schüttelns, trotz aller Püffe und Knüffe nichts erzählt und war sogar, nachdem der erste Schreck ausgestanden war, zu den unverschämtestenFrechheiten übergegangen, so daß man ihn bis zu dem Abschluß der Beratungen erst einmal in den Wrukenkeller stecken mußte.
    Doch war seine Aussage auch überflüssig, die Eheleute Schlieker konnten sich auch ohne die ihren Vers auf alles machen – und der reimte sich ganz hübsch.
    Wenn man bedachte, daß gestern am hellerlichten Tag in aller Öffentlichkeit Jagd auf die Schliekerschen Pflegekinder gemacht worden war –
    Wenn man dazu rechnete, daß einmal die Marie ausgerissen und zum anderen Schlieker zwar im Dunkeln, aber darum nicht weniger öffentlich abgeführt worden war –
    Wenn man sich schließlich erinnerte, daß diese selben Schliekers vor netto zweidreiviertel Jahren den Gaus das Pflegekind Thürke abgelistet hatten – –
    Dann war der Schluß sonnenklar, daß nun wieder Gaus meinten, ihr Thürkescher Weizen blühte neu und die Schliekers hätten verspielt.
    Gaus hatten die Rosemarie rumgeschmust, vielleicht sogar angestiftet, sie hatten die Ausreißerin in ihr Haus genommen. Und weil sie so sicher meinten, Schlieker stecke im Gefängnis, so hatten sie gehofft, zu dem Mädchen die Sachen des Mädchens zu bekommen, und hatten ihren Verbrechersprößling, ihren Otsche, ausgeschickt, den Kuhmörder, den elenden!
    Das war den beiden Schliekers über jeden Streit klar, und es war unaussprechlich herrlich, daß Päule so rasch das Kittchen wieder verlassen und den Jungen beim Schlips genommen hatte! Und daß der Bengel da jetzt so ganz umsonst im Wrukenkeller sein unsinniges Geschrei verführen sollte, das konnte man nun wirklich nicht erwarten.
    Es gab zwei Wege: entweder ging man zu Gendarm und Gericht und machte es öffentlich mit aller Schande undHaussuchung – und das war ein Gedanke, der etwas sehr Verlockendes für die beiden Schliekers hatte. Der alte Erz- und Erbfeind Gau öffentlich geschändet!
    Aber der andere Weg war vielleicht doch noch besser, weil einträglicher. Man verhandelte mit Gau direkt und vertauschte nicht nur den Jungen gegen die Giftkröte, die Marie (der man es dann schon besorgen würde!), sondern holte sich noch ein hübsches Aufgeld für die Zudeckung

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