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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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der Diebsschande, etwa den Preis der an Trommelsucht krepierten Kuh.
    Gau war in Schliekers Hand – so viel war sicher!
    Das einzige Bedenkliche an dem zweiten Weg war, daß dabei mit Wilhelm Gau persönlich verhandelt werden mußte – und was der für eine Sorte Mannsbild war, das wußte nicht nur jedes Kind in Unsadel, sondern davon sagte auch eine recht volkstümliche Redensart!
    Aber wenn bei Päule Schlieker mancherlei knapp geraten war, sein Kapital an Frechheit war groß. Die Mali mochte noch soviel jammern: Er schlägt dich tot, Päule! – er lachte nur: So schlage ich ihn wieder tot!
    »Nein, mach jetzt das Paket fertig, wie wir es besprochen haben, und das Rad nehme ich auch gleich mit. Denn wenn er nicht klein beigibt oder mir dumm kommt, fahre ich sofort weiter nach Kriwitz zum Gendarmen. Dann muß der her und heute abend noch Haussuchung halten, und den Dieb übergeben wir ihm auch, daß die Brüllerei aus dem Hause ist und alles fein nach dem Gesetze geht.«
    »Ach, Päule!« jammerte sie. »Er ist ein Wutkopf!«
    »Ach, Mali!« höhnte er. »Ich bin auch ein Wutkopf. Halte das Haus gut unter Verschluß und gib den Bengel niemandem heraus – sonst sollst du gleich einen zu sehen bekommen, Wutkopf heißt das.«
    Er marschierte los, in der blauen Sonntagsjoppe mit den Hornknöpfen, die er nicht etwa für Gau, sondern für dieeventuelle Stadt angezogen hatte, das Rad mit der einen Hand führend und in der andern das Paketchen.
    Hätte einer behauptet, daß auch ihm das Herz ein wenig schneller ging vor dieser Zusammenkunft mit dem alten Erbfeind und Oger von Unsadel, so hätte er darüber bloß gelacht. Aber es klopfte
doch
schneller, freilich nicht aus Angst, sondern aus Vorfreude auf die Bosheiten, die er dem Manne versetzen würde! –
    Der Bauer Wilhelm Gau saß in der Stube hinter dem Tisch. Draußen auf dem Hof fütterten sie noch und melkten. Aber bei so was stand er nicht herum, er war kein Zugucker, sondern erst wenn alles fertig war, dann ging er hin, und wehe dem, der seine Sache nicht ordentlich gemacht hatte – er sah alles!
    Wehe überhaupt allem Weib, Kind, Knecht, Magd, Vieh, das nicht nach des Bauern Kopf lebte! Er war der größte Bauer weithin, dorfauf, dorfab – und er war nicht nur an Besitz ein großer Mann, er war es auch am Leibe. Einen Meter sechsundachtzig lang, zwei Zentner dreißig schwer, saß er hinter dem Holztisch in der dämmrig werdenden Stube, rührte sich nicht und tat nichts, sondern starrte nur mit seinen düsteren kleinen Augen vor sich hin.
    In die Stirn stiegen ihm, von der Nasenwurzel aus, die tief eingeschnittenen, senkrechten Falten des Grübelns und der Mürrischkeit, des Lebensüberdrusses und der Menschenfeindschaft. So tief wie scharfe Schnitte saßen diese Falten in seiner Stirn – es sah aus, als hätte er von Jugendtagen auf immer nur gegrübelt und Feindschaft empfunden.
    Und so war es auch. Er war groß, grob und gefürchtet, aber trotzdem hatte er nichts von dem im Leben tun können, was er gewollt hatte. Er hatte die nicht heiraten dürfen, die er mochte, sondern die Plapperziege – um des Hofes willen; er hatte nicht werden dürfen, was er wollte, nämlich Seemann – um des Hofes willen.
    Wenn er heute nein sagen mußte, zu einem Viehhändler, seiner Frau, dem Gastwirt, den Kindern, so sagte er nicht »Nein«, sondern: »Der ganze Schiet lohnt mir nicht …« Und das meinte er auch, der ganze Schiet hatte sich nicht gelohnt für ihn, sein Leben nämlich. Das vergaß er nie, keine Minute. Er arbeitete, und er arbeitete gut, aber wenn dann die Arbeit vorbei war, so saß er wie jetzt und starrte düster vor sich hin.
    Bei diesem Manne Wilhelm Gau also tat sich die Tür auf, und der kleine Betrüger, der heimliche Fuchs Päule Schlieker trat ein, sein Päckchen unterm Arm.
    Schlieker blinzelte noch in das halbdunkle Zimmer, ob der Bauer auch wirklich hier sitze, da grollte es schon: »Keine Sprechstunde jetzt! Raus!«
    »Ich bring bloß die Wäsche«, grinste Päule Schlieker und legte dem Bauern das Päckchen auf den Tisch.
    Der lauschte, bis jetzt hatte er noch nicht hochgesehen, aber an der Stimme hatte er den Besucher erkannt. »Ist gut«, sagte er gleichgültig. »Kannst gehen.«
    Päule und Mali hatten sich das so schön ausgemalt, dem Gau die Wäsche, die er durch seinen Jungen hatte stehlen lassen, selbst hinzubringen. Aber der Witz war ohne Wirkung verpufft, und darum sagte Päule drohender: »So kommst du mir nicht weg, Willem.

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