Altes Herz geht auf die Reise - Roman
gehen.«
»Nein«, entschied Rosemarie. »Strohmeier soll gehen.
Wenn der von Schliekers gesehen wird, denken sie, er ist bloß neugierig. Aber wenn sie dich merken, Fritz, wissen sie gleich, ich stecke dahinter, denn du gehörst doch zu mir.«
»Er macht todsicher alles falsch«, murrte Hütefritz unzufrieden. »Du mußt wie ’n Indianer schleichen, Albert, auf Zehen- und Fingerspitzen, daß Schlieker deine Spuren nicht findet.«
»Döskopp«, sagte Strohmeier verächtlich. »Was der schon nach Spuren sieht! Nein, ich geh auf Socken, barfuß quatscht manchmal so, und die Stiefel sind zu laut …«
Alle sahen ihm zu. Plötzlich war die Stimmung anders, Otsches Gefangenschaft und Rosemaries Opfergang vergessen …
»Halt dich senkrecht, Albert!« riefen sie.
»Klar«, sagte der und schob sich zwischen die Ginsterbüsche.
»Dussel! Wo willst du hin?!« rief Hütefritz eifersüchtig.
»Verstehst du denn nicht?« erklärte Rosemarie eifrig. »Er macht es ganz richtig, er will nicht den Weg lang. Er geht den Feldrain runter bis an den See und dann am Seerand bis in den Garten … Was ist denn das?!«
In den Büschen am Rande der Sandgrube rauschte es, brach durch, und freudig winselnd stürzte sich Bello auf Rosemarie.
»Da ist er wieder!« sagte sie. »Hat der Professor ihn laufenlassen. Ja, mein Lieber, mein Starker, es ist ja gut. Nur stille sein, ganz stille sein … Leg dich, leg dich schön!«
Der Hund legte sich gehorsam vor sie hin und sah sie an.
»Jetzt ist er im Garten«, meldete Hübner.
»Und nun können wir nichts mehr sehen«, sagte Hütefritz. »Nun müssen wir bloß warten.«
Also warteten sie.
Es verging eine Zeit, die ihnen endlos schien.
»Wo er nur bleibt?!« murmelte einer.
»Er müßte längst wieder hier sein.«
»Vielleicht hat Schlieker ihn abgefaßt.«
»Wenn er jetzt nicht gleich kommt, gehe ich«, drohte Hütefritz.
»Du bleibst!« entschied Rosemarie. »Wenn einer geht, bin ich es.«
»Da! Da!« schrie Win. »Er ist schon unten am See!«
»Wirklich und wahrhaftig!«
»Wenn er bloß was ausgerichtet hat! –«
»Nun, Albert?« fragte Rosemarie erwartungsvoll.
»Ist er drin –?!« drängte Hütefritz.
»Wer? Schlieker?« fragte Albert Strohmeier, der recht gut wußte, welch wichtiger Mann er jetzt war. »Erst mal die Schuhe. Was denkt ihr, was für kalte Beine ich gekriegt habe –?! Und die Strümpfe sind auch hin. Na, meine Mutter wird schön schimpfen, wenn sie die Riesenlöcher sieht!«
»Ob er drin ist!« drohte Hütefritz. »Mach endlich, Mensch.«
»Wer denn –?« fragte Strohmeier und sah seine Bedränger mit den flinken, runden Augen triumphierend an. »Ja wohl , Herr Schlieker ist zu Haus.«
»Dämlicher Döskopp!« brauste Hütefritz auf.
»Albert!« bat Rosemarie. »Albert Strohmeier! Sag doch, ist Otsche drin?«
»Und ob er drin ist!« strahlte Strohmeier plötzlich. »Weißt du, Rosemarie, er ist in den kleinen Keller eingesperrt, zu dem von deiner Stube eine Luke geht …«
»Also doch!« sagte Rosemarie.
»Der arme Junge«, weinte Evi. »Ich sage es aber sofort dem Vater, wenn du nicht gleich gehst, Rosemarie …«
»Ich gehe schon …«, sagte Rosemarie entschlossen.
»Armer Bengel …«, grinste Strohmeier über das ganze sommersprossige, magere Gesicht. »Arme Schliekers, meinst du wohl! Denkst du, Otsche hat klein beigegeben? Der brüllt da unten und schimpft und schreit: ›Fuchs kopp ‹ schreit er, ›Betrüger‹ schreit er – er brüllt so, daß Schlieker die Kellerlöcher schon mit Stroh versetzt hat, damit sie es nicht im Dorf hören …«
»Raus muß er«, sagte Rosemarie. »Ich will nun gehen …«
»Halt!« rief Strohmeier und hielt sie am Arm fest. »Warte noch einen Augenblick. Gleich wirst du was sehen …«
»Ich muß hin«, beharrte Rosemarie und sah auf die blasse, angstvolle Evi. »Ich habe ihn reingeritten, ich muß ihn auch wieder rausholen.«
»Marie, Rosemarie«, sagte Strohmeier geheimnisvoll. »Ich habe was in deiner Stube gesehen …«
»Und –?« fragte Rosemarie gespannt.
»Und …«, flüsterte Strohmeier …, »Päule zieht sich die blaue Joppe mit den Hornknöpfen an …«
Einen Augenblick war große, gedankenvolle Stille.
»Dann«, sagte Rosemarie entschieden, »geht er in die Stadt, dann bleibt er nicht auf dem Hof …«
»Vielleicht zum Gendarmen …«
»Ach, der arme Otsche!« klagte Evi.
»Gans!« sagte Strohmeier verächtlich. »Wenn Päule zur Stadt geht, muß die Frau das Vieh allein
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