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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Mündel so hell und glückverheißend begonnen hatte – wenn er dann auch nicht ganz hielt, was er zu versprechen schien –, ging für die beiden Schliekers recht grau und trübsinnig an. Das lag nicht nur am frühen Aufstehen (denn das Vieh mußte sein Recht haben), so daß sie noch in den grauen Oktoberfrühnebel vor dem Sieg der Sonne gerieten. Sondern es lag an der fast schlaflos verbrachten Nacht, mit ihren Schmerzen und Grübeleien; es lag an der Mutlosigkeit auf der einen, am Mißtrauen auf der anderen Seite – die beiden mochten ja nicht einmal mehr miteinander sprechen!
    Und so kam es, daß, kaum als das Vieh versorgt und ein eiliges Frühstück in der Küche gegessen worden war, Päule Schlieker ohne weiteres seine Mütze nahm und aus dem Haus ging. Er antwortete weder auf Malis hastige Frage: »Wo läufst du schon wieder hin, Päule??« noch auf den scheltenden Nachruf: »Du wirst bloß wieder Dummheiten machen und uns noch tiefer hereinreißen!« Nein, er ging ohne Antwort, denn das wütend gemurmelte: »Gans, alberne!« konnte sie nicht mehr hören.
    Er eilte, so gut es sein Leibeszustand eben zuließ, zum Oberdorf hinauf. Es war noch Halbdunkel, als er im Gesträuch am Backofen, gegenüber Gaus Hof, in Deckung ging – und das war gut, denn keiner sollte merken, daß er hier auf Wache stand! Er hatte weder vor dem Krug noch vor Gaus Haus ein Rad gesehen: Gendarm Gneis war also noch nicht da. Aber er mußte jeden Augenblick kommen, denn Schlieker hatte dem Amtsgerichtsrat gestern abend recht eindringlich dargestellt, wie vorteilhaft eine ganzfrühe Haussuchung sein würde, bei der die Thürke warm aus dem Bett zu holen wäre! Und sollte sie es doch mit Ausreißen versuchen, so stand er hier – und ihm kam sie nicht weg, dafür stand er ihr auch! Sicher und wirklich! Ohne und mit gebrochenen Rippen!
    Es wurde heller und hell, aber niemand kam. Nun zogen schon die Gespanne aufs Feld, dreispännig klapperte Tamms Drillmaschine vorüber, das Gausche Hoftor ging auf, und das erste Mistfuder knarrte auf die Dorfstraße, Strohmeier ritt seine Pferde leer zum Pflügen aufs Feld – und nun kam die Kuhherde!
    Jawohl, da trieb Hütefritz aus, der unverschämte, nächtliche Rufer vom Hausgiebel, und vergnüglich pfiff er sich eins dabei. Nicht ganz so vergnüglich sah Schlieker zu, denn Fritz trieb nicht mit einem, sondern mit zwei Hunden aus. Und den zweiten, den Bello, hatte Schlieker diese Nacht also ganz richtig vernommen!
    Er mochte auf geheimem Posten stehen oder nicht, dies war stärker als er: er steckte zwei Finger in den Mund und pfiff gellend.
    Bello warf lauschend den Kopf, Hütefritz auch. Er sah sich nach dem alten Backofen um, zu dem der Hund hinschoß, er schien noch verständnisvoll zu nicken, der freche Bengel! Der Hund kroch winselnd durch die Büsche, Hütefritz trieb schon weiter, aufgeregt jaulend sprang der Hund an seinem versteckten Herrn hoch.
    Jetzt kam wieder ein Pfiff von der Dorfstraße, das war Hütefritz. Der Hund ließ von Schlieker ab, stürzte in die Büsche … Schlieker pfiff dagegen. Der Hund machte halt und winselte ratlos … Hütefritz pfiff dringender, der Hund sprang auf die Dorfstraße …
    Wütend schrie Schlieker: »Bello!«, der Hund jaulte, sah, verlegen wedelnd, zum Ofen, zur Herde … »Her kommst du, Bello!« schrie Schlieker.
    Ins Gausche Hoftor trat, die Mistforke in der Hand, der Bauer Wilhelm Gau. Schlieker verstummte. Noch einmal pfiff Hütefritz, der Hund schaute ein letztes Mal zu den still gewordenen Büschen und schoß, freudig aufbellend, der Herde, dem freien, kettenlosen Tage zu!
    Schlieker stand still in den Büschen und sah durch die lückigen Fliederzweige, wie sein großer, schwerer Feind, die Mistgabel in der Hand, langsam die Dorfstraße überquerte, auf den Backofen zuging …
    Noch hätte ein rascher Entschluß geholfen, um die Gärten herum wäre noch mit leidlicher Deckung fortzukommen gewesen, aber es war vorbei, aus welchen Gründen immer, mit den raschen Entschlüssen Schliekers … Er stand gebannt und starrte … Er hatte einen flüchtigen, gar nicht Schliekerschen Gedanken: »Der Backofen ist Gemeindeeigentum. Hier
darf
ich stehen, das
darf
er mir nicht verbieten …«
    Als wäre Gau ein Schläger, ein Streithammel, der ohne Not Prügeleien anfing, der traurige, langsame Klotz der!
    Der Bauer Wilhelm Gau trat durch die Büsche und sah Päule Schlieker, den Spion, düster an. Der blinzelte etwas unter diesem Blick, versuchte sein

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