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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Professor …«, meinte er dann.
    »Hütefritz!« rief Rosemarie zornig.
    »Na ja«, brummte der. »Man kann nie wissen. Gekannt ist besser als verwandt. – Also, Rosemarie«, sagte er und gab sich einen Stoß. »Otsche war hier. Sein Vater hat Päule erzählt, wo ihr wohnt, du und dein Professor, und nun ist Päule hin …«
    »Oh!« sagte Rosemarie.
    »Ich kann nicht wieder fort von den Kühen, gestern waren sie alle in Gottschalks Seradella, und Lehrer Schlitz haben sie es gesteckt, wegen Schuleschwänzen – ich habe auch niemanden schicken können …«
    »Wie lange ist es her?« fragte Rosemarie.
    »Eine Stunde, vielleicht auch noch nicht soviel. Und Päule ist bloß wacklig auf den Beinen, unter drei Stunden kann er es nicht machen.«
    »Pfeif dem Bello, Hütefritz, halte ihn fest«, befahl Rosemarie plötzlich, und mit Staunen sah Doktor Kimmknirsch ein ganz anderes Mädchen, nicht mehr das blasse, ängstliche Ding aus der Nacht. »Herr Doktor, bitte fahren Sie mich schnell zum Waldhaus. Ich weiß einen Weg, da kommen wir ganz in die Nähe … Ich muß den Paten warnen, Päule geht zu ihm!«
    »Aber Ihr Patonkel ist ein erwachsener Mann«, wandte der Doktor ein. »Er kann sicher mit Herrn Schlieker allein fertig werden, ohne Ihre Hilfe.«
    »Nein!« rief sie. »Sie wissen nicht, wie Schlieker sein kann, keiner von Ihnen weiß das!«
    »Doch, doch! Ich kann es mir recht gut denken …«
    »Und der Professor ist so sehr alt, er denkt, alle sind gut; Schlieker kann ihn …«
    »Nun – was kann er ihn?« lächelte der Doktor überlegen. »Totschlagen? Ach, Fräulein Thürke, ich glaube, Sie leben in einer ganz verdrehten Welt. Wir leben auf dieser Erde, in Mecklenburg, und noch dazu ganz ländlich und schändlich– das schlimmste ist, daß einer in einen Kohlenstall eingesperrt wird …«
    Er mußte lachen. Aber weder Mädchen noch Junge lachten mit.
    »Sie wissen nichts«, sagte sie böse. »Schliekers haben kleine Kinder schlecht behandelt und gequält, Schliekers sind tausendmal schlimmer, als Sie denken … Darum verlangen Sie ja auch, daß ich zu denen zurückgehe, weil Sie es sich nicht vorstellen können … Kein Großer kann das. Und ich dachte,
Sie
würden …«
    Sie hielt inne und kämpfte nun doch mit aufsteigenden Tränen.
    »Was dachten Sie, daß ich würde –?« fragte er.
    Aber es war schon wieder vorbei.
    »Also gut!« sagte Rosemarie. »Ich habe Ihnen versprochen, ich fahre mit zu Schliekers. Und ich tue es. – Fritz, halte Bello gut fest. Ich sehe, was ich machen kann. – Aber ich habe Ihnen nicht versprochen, daß ich bleibe, und ich weiß noch nicht, ob ich es tue …«
    »Schön«, sagte der Doktor beharrlich. »Also fahren wir jetzt nicht in das Waldhaus, sondern zu Schliekers …«
    »Ja!« sagte sie und setzte sich in den Wagen.
    Und als wüßte der Motor, daß nun alles entschieden sei, sprang er schon beim ersten Kurbeldrehen an. Bello heulte jammervoll – aber nun machte der Heckenweg einen Knick, und sie hörten auch das Gebell nicht mehr.
    Sie schwiegen beide, sie schwiegen den ganzen Weg, das ganze Dorf durch, bis vor das Schliekersche Haus. Und vielleicht war es nicht nur Rosemarie, die sich auf die Autofahrt gefreut hatte.
    »Dies also ist Ihr Hof«, sagte Doktor Kimmknirsch und sah etwas zweifelhaft das Häuschen, den Stall an. Der Herbst, der den Blättern ihr Grün und den Zweigen die Blätter nahm, hatte auch die Blößen der Gebäude aufgedeckt.Der Bewurf fehlte an vielen Stellen, die Fenster hingen schief und blind, der Lattenzaun neigte sich zur Erde.
    »Es ist schon nicht mehr mein Hof«, sagte Rosemarie traurig. »Die Leute sagen Schliekers Hof dazu, ich nenne ihn auch schon so – er gehört nicht mehr mir. Ein Zimmer ist noch drin, Vaters Zimmer, aber seit der Professor die zerrissenen Bücher in die Hand genommen hat, weiß ich, es ist auch nicht mehr Vaters Zimmer.«
    »Mut!« sagte der junge Arzt und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Wenn es jetzt auch schwer aussieht, wir behalten Sie im Auge, wir alle!«
    »Sie wissen«, sagte sie beharrlich, »ich habe Ihnen nicht versprochen, hier zu bleiben.«
    Der Arzt sagte kurz: »Also kommen Sie«, und ging.
    Sie gingen in das Haus, Rosemarie trat über die Schwelle, die sie nie wieder hatte überschreiten wollen, solange Schliekers noch hier wohnten. Der säuerlich-faulige Geruch des Vorraums legte sich wie eine Lähmung auf sie. Es war nutzlos, daß draußen die Sonne schien, daß man entlaufen war in die

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