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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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altbewährtes höhnisches Lächeln, das ihm sonst über jedes Ertapptwerden forthalf – aber diesmal gelang es ihm nicht nach Wunsch.
    Eine Weile waren sie beide stumm, der Bauer schien etwas zu überlegen, als habe ihn das Gesicht des andern in seinem Entschluß wieder wankend gemacht.
    »Der Schiet lohnt mir nicht«, sagte er dann doch. »Ich mag weder mit dir noch mit der Thürke was zu tun haben …«
    Schlieker sah ihn höhnisch an – ahnte dem schon was von der Haussuchung? Er leckte sich die trocken gewordenen Lippen.
    »Sie wird in meinem alten Kuhstall stecken«, sagte derBauer und sah Schlieker an, aber so, als sähe er ihn nicht, sondern spräche nur mit sich …
    Schlieker fluchte, stumm, aber flammend: daß er daran nicht gedacht hatte, die nächstliegende Sache von der Welt! Natürlich, sich da hinten im Walde verstecken, mit dem alten Knacker …
    »Der Professor …?« stotterte er fast vor Aufregung. »Ist der Professor auch dabei –?«
    »Also, du weißt Bescheid«, sagte der andere. »Und deine Dresche hast du ja!«
    Jetzt glomm doch wieder ein Funken in des Bauern Auge auf. Aber Schlieker war endlich über alle Verlegenheit weg: »Und ein schönes Stück Geld wird dich die kosten, Willem!« höhnte er. »Mir täte mein Geld leid.«
    »Mir nicht«, antwortete Wilhelm Gau, schulterte die Forke, als sei es nun Feierabend mit Mistladen, und ging.
    Schlieker wartete nur, bis die massige Gestalt drüben in der Torfahrt verschwunden war, dann ging auch er. Dies war nun schon die dritte These über den Verbleib der Marie, aber er glaubte so fest an sie, wie er an die beiden ersten geglaubt hatte.
    Fragte sich nur, wie er schnell zum alten Kuhstall kam, kümmerlich, wie es ihm körperlich ging. Fahren ließ sich der Waldweg nicht, und das Boot war noch immer fort. Man konnte sich irgendein anderes nehmen, es lagen ihrer genug im Schilf, aber würde er rudern können? Er versuchte die Arme zu strecken, als hätte er Ruder in der Hand, aber sofort stach und brannte es in der Brust, als spießten die gebrochenen Rippen in die Lunge.
    Mali konnte auch rudern, aber Mali durfte nicht rudern, denn er wollte Mali nicht dabei haben. Es war kein Verlaß mehr auf sie, es war etwas Heimliches, Feindliches in ihr, seit sie wieder diese Krankheit hatte. Seit gestern abend, seit diesem verdammten Anfall, war alles anders geworden.Er hatte es gespürt, den ganzen Abend, die Nacht durch; der junge Arzt mit seiner Medizin hatte es nur schlimmer gemacht; jetzt dachte sie bei allem zuerst an ihre Krankheit. Sie hatte Angst vor den Anfällen, sie wollte plötzlich, daß er nur tat, was ihrem Gesundwerden förderlich war – als ob es danach ginge!
    Erst mußte einmal die Sache mit der Marie wieder zurechtkommen. Wenn sie wieder festsaßen im Sattel, mochte sie sich seinetwegen schonen! Schonte er sich jetzt etwa? Nicht die Spur! Seit früh fünf lief er nun mit seinen gebrochenen Rippen und dem brennenden Gesicht herum – und jetzt würde er zwei, ach, er würde sogar drei Stunden gehen müssen bis zum alten Kuhstall –! Aber er tat es, tat es doch!
    Am liebsten wäre er gleich am eigenen Hof vorbeigelaufen, um erst gar nicht ihr Gesicht zu sehen, aber er brauchte einen Handstock, einmal, um sich zu stützen, dann …
    Mali saß bewegungslos, mit einem seltsam leeren Gesicht, in der Küche, sie sah nicht auf, als er hineinkam. Er holte sich den Stock aus der Stube, und im Fortgehen fragte er nun doch unwillkürlich: »Ist dir was?«
    Sie hob langsam den Kopf, als würde ihr schon das schwer, und fragte wie aus weiter Ferne: »Was soll mir denn sein –?«
    »Ja, was soll dir wohl sein!« schrie er, wütend über die unbrauchbare Gefährtin. »Als wenn wir jetzt Zeit hätten, krank zu sein! Tu was und denk nicht immer an dich!«
    Er besann sich, dann sagte er mit Nachdruck: »Ich hole jetzt die Marie, daß du’s weißt. Um zwei sind wir wieder hier!«
    Aber es wirkte nicht, nicht einmal dies wirkte! Sie hatte schon wieder den Kopf gesenkt und sah mit dem gleichen teilnahmslosen Ausdruck wie vorher in den Schoß.
    Mit einem Fluch schlug er die Tür hinter sich zu und machte sich auf die lange, mühselige Wanderung zum Waldhaus.

    »Steigen Sie ein, Fräulein Thürke!« sagte Doktor Kimmknirsch, und das Mädchen gehorchte eilig. Nicht nur Frau Postdirektor Bimm, nein, aus zehn, zwölf Fenstern sah man auf sie hinab, auf sie, auf ihn und auf das Auto des Bierverlegers Tengelmann, Modell 1908.
    Der Doktor mühte sich vorn mit

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