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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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damit beschäftigt, ihre Füße sicher auf die glatten, nassen Steine zu setzen, daß sie keinen Blick für die herrliche Aussicht übrig hatte, die sie schon viele Male zuvor bewundert hatte. Nachdem sie den schwierigsten Teil der steilen Schräge bewältigt hatte, drehte sie sich um und sah etwas, was sie erneut abrupt innehalten ließ. Sie beschattete ihre Augen mit der Hand, blickte auf das Ufer hinunter und stieß einen leisen, alarmierten Pfiff aus. Dort unten schien etwas – nein,
jemand –
auf den Felsen zu liegen: und zwar ein toter Jemand, nach dem Anblick zu urteilen, mit dem Gesicht nach unten und ganz sicherlich ertrunken.
    Was für eine Katastrophe war dies? Erschrocken begann Marrah zu laufen, legte den Rest des Abhangs rutschend und stolpernd zurück. Als sie den Körper erreichte, blieb sie keuchend stehen. Der tote Mann – denn der Körper war zu groß, um der einer Frau zu sein – lag schlaff und mit ausgebreiteten Gliedern inmitten von Seetang, Holzstückchen und anderem Treibgut, das der Sturm vom Abend zuvor angeschwemmt hatte. Er war groß, vielleicht der größte Mann, den Marrah je gesehen hatte, und in eine Art Kapuzenumhang gekleidet, der aus einem seltsamen Material gefertigt war, das wie verfilzter brauner Pelz aussah. Der Umhang bedeckte seinen gesamten Körper bis auf seine Hände, die bleich und vom Wasser aufgequollen waren.
    Sie starrte in entsetzter Faszination auf seine Hände. An jedem Finger trug er einen Ring unterschiedlicher Art, die meisten aus Knochen geschnitzt, doch zwei davon waren aus Kupfer. Kupfer hatte die gelbliche Farbe von Knochen und Tod und war der Vogelgöttin in ihrer schrecklichsten Form geweiht. Im ,Land des Küstenvolks wurde Kupfer ausschließlich bei religiösen Zeremonien getragen. Marrah schauderte unwillkürlich. Ein toter Mann mit Kupferringen lag an ihrem Strand! Bei keiner Volljährigkeitsfeier hatte es jemals ein böseres Omen als dieses gegeben! Es war, als verfluchte die Göttin Xori sie, so als wollte sie sagen: Gib Amonah deine Kindheitskette zurück, Marrah, und ich bestrafe dich dafür mit einem Toten.
    Aber das ergab doch keinen Sinn. Warum sollte Xori sie völlig grundlos verfluchen? Sie waren beide Vogelfrauen, sie und die Göttin. Xori liebte sie, wie eine Mutter ihr Kind liebt. Erst vor einer kurzen Weile hatte sie einen Kormoran geschickt, zum Zeichen, daß sie Marrah in Amonahs Obhut übergeben hatte. Xori würde sich niemals gegen sie wenden, es sei denn, Marrah täte etwas Böses, und sie hatte nichts Böses getan, war nur zu der Insel hinaus-gepaddelt, wie es alle Mädchen am Tag ihrer Volljährigkeit taten.
    Marrah ballte die Hände zu Fäusten, während sie gegen ihre Furcht ankämpfte und wie Sabalah zu denken versuchte. »Marrah «, konnte sie ihre Mutter in Gedanken sagen hören, »wir sind nicht immer der Mittelpunkt der Welt. Oft geschehen Dinge, die nichts mit uns zu tun haben. Du darfst nicht in jeder Kleinigkeit ein Omen sehen. Eine Priesterin, die die Zukunft aus jedem Vogelflug vorherzusagen versucht, richtet mehr Schaden an, als daß sie Gutes tut. Es gibt wahre Stimmen und trügerische.«
    Sie öffnete ihre Fäuste wieder und zwang sich, den Toten als das zu sehen, was er war: ein Mann, der schlicht und einfach ertrunken war. Marrah dachte an den gewaltigen Sturm am Abend zuvor, den heulenden, tosenden Wind. Der Mann mußte in einem Boot gesessen haben, das auf den Felsklippen zerschellt war. Mit diesem Gedanken inspizierte Marrah das Ufer, aber es war nichts zu sehen außer ein paar Mücken, die um einen Haufen Seetang summten, und einem halben Dutzend langbeiniger Strandläufer, die in den Prielen nach Wattwürmern und Krabben suchten. Trotzdem mußte das noch nichts bedeuten. Wenn die Felsen ein Boot verschlangen, dann verschluckten sie es oft vollständig.
    Marrah kniete sich hin und berührte zögernd den verfilzten Umhang. Er fühlte sich klamm und klebrig vor Salz an. Das nächste, was sie tun mußte, war, den Mann herumzudrehen und sich zu vergewissern, daß er wirklich tot war – nicht, daß sie noch irgendwelche Zweifel hegte; er mußte lange Zeit im Wasser getrieben sein, um solch bleiche, aufgequollene Hände zu haben. Aber was, wenn sie ein vertrautes Gesicht fand? Nein, es half nichts, sie mußte sich beherrschen, sie konnte nicht einfach vor dem Toten davonlaufen. Hatte Urgroßmutter Ama nicht gerade dem ganzen Dorf verkündet, daß sie jetzt eine Frau war?
    Sie nahm all ihren Mut zusammen, ergriff

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