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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Finger durch das Wasser gleiten. »Ich schlage vor, wir steuern die nächste Landspitze an. Heute wird das Wetter genau wie gestern sein: windstill, ruhig und heißer als das Innere eines Backofens.« Er trank aus dem Wasserschlauch, dann beugte er sich vor, um den Schlauch wieder zwischen den Proviantsäcken zu verstauen. Als er sich aufrichtete, sah er, daß Luma die kleine Pause genutzt hatte, um ihr Haar neu zu flechten, damit es ihr nicht ins Gesicht hing. Kandar saß da und sah ihr dabei zu, während ihm der Gedanke durch den Kopf ging, daß er nichts lieber mochte als den Anblick einer Frau, die sich frisierte. Dann mußte er an Keshna denken, und hatte prompt ein schlechtes Gewissen, weil er sich an irgend etwas erfreuen konnte.
    Als Luma mit dem Zopf fertig war, drehte sie sich um und betrachtete prüfend den Horizont. Die Sonne ging gerade auf: ein flimmernder roter Ball, der bereits Schlangenlinien von Licht über die spiegelglatte Oberfläche warf.
    »Es ist ziemlich ruhig«, meinte sie, »aber der Himmel ist für meinen Geschmack ein bißchen zu rot. Auf Alzac sagten die Seeleute immer, ein roter Morgenhimmel sei ein Zeichen dafür, daß gegen Abend schlechtes Wetter heraufzieht. Außerdem haben wir gestern diese Delphinschule gesehen. Erinnerst du dich, wie nahe an der Küste sie schwammen? Aita Stavan sagte immer, wenn Delphine Zuflucht in geschützten Gewässern suchen, muß man sich auf einen Sturm gefaßt machen.«
    Kandar wies auf die riesige, stille Leere um sie herum. »Kannst du dir vorstellen, daß bei solch ruhiger See plötzlich ein Sturm aufkommt?«
    »Nein, ehrlich gesagt nicht. Die Delphine haben wahrscheinlich nur einen Schwarm Fische gejagt.« Sie griff nach ihrem Paddel. »Laß uns die Überfahrt machen.«
    Sie begannen wieder zu paddeln, und bald war die Küste nur noch ein verschwommener brauner Streifen am Horizont.
    »Bei dem Tempo werden wir es noch vor morgen abend mühelos bis nach Mtela schaffen«, sagte Kandar. Mtela war ein winziges Dorf von einem halben Dutzend Mutterhäuser, zwei – vielleicht auch drei – dieser Überfahrten durch offenes Wasser entfernt.
     
    Den ganzen Morgen über blieb es ruhig. Kurz nach Mittag kam Wind auf, allerdings nur eine ganz leichte Brise. Nach einer Weile wurde der Wind etwas stärker, aber es war immer noch eine Brise, die das Wasser nur ganz leicht bewegte und die Oberfläche mit einem Netz winziger gekräuselter Wellen überzog.
    Luma betrachtete den Himmel. Er war heiß, blau und wolkenlos. Auf dem Wasser trieben Schwärme weißer und schwarzer Seevögel und schaukelten träge auf den Wellen. Die Brise erfrischte ihr Gesicht, aber es gefiel ihr nicht, daß sie wie aus dem Nichts aufgekommen war.
    »Wir sollten Kurs auf die Küste halten«, erklärte sie widerstrebend.
    Sie drehten den Bug des Einbaums in Richtung Land und hielten in einem stumpfen Winkel darauf zu, so daß sie bis zu dem Zeitpunkt, wenn sie wieder gezwungen wären, dicht an der Küste entlangzufahren, zumindest die halbe Strecke bis zur nächsten Landspitze geschafft haben würden. Das erwies sich als Fehler, sie hätten die Küste auf dem kürzesten Weg ansteuern sollen. Der Wind wurde immer stärker. Bald verwandelten sich die Kräusel in kleine Wellen, die gegen den Rumpf des Einbaums klatschten. Als sie ungefähr auf halbem Weg zum Ufer waren, wehte der Wind bereits in steifen Böen. Am Himmel zogen unheilverkündende Wolken auf, die in der Mitte von engen, tief eingeschnittenen Tälern durchzogen waren; ihre spezielle, grünlichschwarze Färbung kündigte einen schweren Sturm an.
    Der Wind frischte abermals auf, erfaßte das Blatt ihrer Paddel und riß sie ihnen beinahe aus der Hand. Eine schwere Bö traf den Einbaum auf der Breitseite und drehte ihn wie eine unsichtbare Hand herum.
    »Dreh in den Wind!« rief Luma. »Sonst kentern wir.«
    Kandar steuerte sie direkt in den Wind, und für einen Moment lag der Einbaum ruhig im Wasser; doch als die Wellen zu hohen Kämmen anschwollen, begann der Einbaum zu schaukeln und zu stampfen. Die dunklen Wolkenungetüme, die sich am Horizont aufgetürmt hatten, rasten jetzt auf sie zu. Als die Wolken die Sonne verdeckten, wurde die Luft schlagartig kälter. Ein Schwarm Möwen flog über ihnen vorbei, gefolgt von einem Schwarm Sturmtaucher. Unter ihnen nahm die See die unheilverkündende schwärzlichgrüne Farbe des Himmels an.
    Ganz plötzlich hallte dumpfes Donnergrollen über das Wasser. Dem ersten Donnerschlag folgte ein

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