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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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zweiter, noch lauterer, dann ein ohrenbetäubendes Krachen. Das Meer schien unter dem Ansturm des Unwetters zu erzittern. Plötzlich strömte Regen herab, der in Sekundenschnelle zu einem wahren Sturzbach wurde. Halb geblendet grub Luma ihr Paddel in die Wellen und ruderte mit aller Kraft, bis ihre Arme taub waren. Der Einbaum bäumte sich auf, bewegte sich eine Handbreit vorwärts und glitt wieder ein Stück zurück. Allmählich füllte sich der Bootskörper mit Wasser. Jedesmal, wenn Luma einen Blick darauf warf, breitete sich in ihrer Magengrube ein beklemmendes Gefühl aus. Sie war zwar schon zweimal in einem offenen Boot von einem Sturm überrascht worden, aber jene Boote waren Fischerboote gewesen, ausgerüstet mit Segeln, die man reffen konnte, und mit Schilfrohrmatten, die an Deck festgezurrt wurden, um zu verhindern, daß Wasser in den Schiffskörper eindrang. Sie zwang sich, ihre Ängste zu verdrängen, und konzentrierte sich aufs Paddeln.
    »Wir müssen das Boot ausschöpfen! « brüllte Kandar. Luma ließ augenblicklich ihr Paddel fallen und griff nach dem Schöpfkrug, denn Kandar war der Anführer der Nattern, und sie war es gewöhnt, seine Befehle zu befolgen; doch als sie den Kopf drehte und ihn noch immer mit zuversichtlicher Miene im Heck knien sah, wurde ihr klar, daß er so gut wie nichts über die See und ihre Macht, Boote zu versenken, wußte.
    »Wir können nicht aufhören! Wenn wir aufhören, dreht uns der Sturm wieder mit der Breitseite zu den Wellen und wir werden kentern! Wir müssen weiter direkt in ihn hineinpaddeln, bis er soweit abschwächt, daß wir wenden und direkt auf die Küste zuhalten können.«
    »Wo
ist
die Küste?« rief Kandar.
    »Da!« Luma zeigte mit ihrem Paddel, verpaßte einen Ruderschlag und wäre beinahe kopfüber ins Wasser gestürzt, weil plötzlich ein Ruck durch den Einbaum ging. Als sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, blickte sie über das sturmgepeitschte Meer hinweg und stellte fest, daß sie keine Ahnung mehr hatte, wo die Küste war.
    Inzwischen war der ganze Himmel mit tintenschwarzen Wolken überzogen, und der Sturm heulte. Glücklicherweise führten sie keine nennenswerte Fracht mit, so daß der Einbaum leicht genug war, um auf den Wellen zu treiben, die andernfalls über den Bug hinweggerollt wären. Dennoch hob sich, wenn das Boot den Kamm einer Welle erkletterte, der Bug so steil, daß einem übel werden konnte, und wenn es auf der anderen Seite in ein tiefes Wellental hinunterschoß, schien es geradewegs auf den Meeresgrund zuzusteuern.
    Luma paddelte mit aller Kraft weiter, und ihre Angst wuchs. Als das Wasser oberhalb ihrer Knöchel stand, wußte sie, daß sie keine Wahl mehr hatten. Wenn sie nicht augenblicklich schöpften, würden sie sinken. Sie legte ihr Paddel nieder und griff nach dem Schöpfkrug.
    »Paß auf, daß wir Kurs halten und weiter in den Wind steuern!« rief sie.
    »Keine Sorge«, brüllte Kandar zurück. Er klang so zuversichtlich, daß sie ihm für einen Moment glaubte – hauptsächlich deshalb, weil sie derart große Angst hatte, daß sie bereit war, alles zu glauben. Doch als Luma den vollen Schöpfkrug hob, um das Wasser über Bord zu kippen, sah sie sein Gesicht und erkannte, daß er ebenso verängstigt war wie sie.
    Der Sturm wurde immer schlimmer. Luma schöpfte schweigend und so schnell sie konnte, doch inzwischen schien alles um sie herum flüssig zu sein, es schien keinen Unterschied mehr zwischen dem Innern des Bootes und dem Meer zu geben. Der Einbaum war stabil, er war jedoch nicht dafür konstruiert worden, einem so heftigen Sturm zu trotzen. Ganz gleich, wie schnell sie schöpfte, der Regen strömte noch schneller. Gewaltige Wellen brachen sich an den Bordwänden und füllten den Bootskörper. Das Boot schlingerte jetzt noch schwerfälliger unter dem zusätzlichen Gewicht des Wassers und machte es Kandar fast unmöglich, den Bug in Windrichtung zu halten.
    Luma kippte gerade einen weiteren Schöpfkrug voll Wasser über Bord, als Kandar nach ihrem Arm griff.
    »Dein Paddel!« rief er. »Gib mir dein Paddel! Schnell! Ich habe meins verloren.« Es stimmte. Seine Hände waren leer. Luma bückte sich nach ihrem Paddel, doch bevor sie es ergreifen konnte, schlug eine Welle gegen den Einbaum und riß ihn mit einem Ruck herum. Fast augenblicklich krachte ein zweiter Brecher gegen die Bordwand. Das Boot krängte gefährlich und richtete sich dann wieder auf. Luma fluchte und krallte sich an ihr Paddel, als es an ihr

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