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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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mit festen Schritten, und sein Haar sah aus, als hätten sich Sonnenstrahlen darin verfangen.
    »Gehst du auf die Jagd?« rief Keshna.
    Er drehte sich um und lächelte, als er sie dort vor dem Zelt stehen sah, mit vom Schlaf verquollenen Augen und nur halb angekleidet. »Ja«, sagte er.
    »Wie wär's, wenn du mich mitnimmst? Ich habe es satt, untätig im Lager herumzusitzen. «
    Keru war amüsiert. »Frauen jagen nicht.«
    »Die Frauen von Shara schon. Außerdem bin ich die beste Jägerin, die du je gesehen hast. Ich kann so reglos dasitzen, daß die Hirsche auf mich zukommen und mir das Gesicht lecken, ich kann die Vögel vom Himmel herunterlocken, und wenn ich Jagd auf Wildschweine mache, braucht man sechs Packpferde, um das Fleisch zurückzutransportieren.«
    Keru lachte. »Ich wäre ein Dummkopf, wenn ich ohne dich jagen ginge. Lauf und hol deinen Bogen.«
    Keshna flitzte ins Zelt zurück, trat über Luma hinweg, die tief und fest schlief, und holte ihren Bogen und ihre Pfeile. Den Rest des Weges zum Korral legten sie und Keru gemeinsam zurück, sie lachten und scherzten und brüsteten sich damit, wieviel Jagdbeute sie zurückbringen würden. Sie riefen ihre Pferde, stattelten sie Seite an Seite und ritten nebeneinander aus dem Lager, weniger als eine Armeslänge voneinander entfernt.
    Diesmal waren die Wachen, die Keru beobachteten, ganz und gar nicht mit seinem Verhalten einverstanden. Als sich dieselbe Szene am nächsten Tag wiederholte, waren sie noch weniger davon angetan. Ein junger Krieger namens Tlanhan, der Rimnaks Bruder war und Kerus bester Freund, war eingeschnappt und ließ es jeden wissen. Sonst ginge Keru immer mit ihm auf die Jagd, knurrte Tlanhan. Aus reiner Bosheit verbrachte Tlanhan den ganzen Tag am Flußufer, wo er sich betrank und versuchte, mit den anderen Streit anzufangen. Am dritten Morgen sorgte die Nachricht, daß Keshna und Keru wieder zusammen auf die Jagd gegangen waren, für Gesprächsstoff im ganzen Lager.
    Keshna ahnte nichts von dem Skandal, den sie heraufbeschwor. Im Delta gab es so reichlich Vögel, daß die Jagd im Schilf keine Herausforderung war, deshalb schwammen sie und Keru mit ihren Pferden bei der Furt durch den Fluß und ritten in den Wald, um nach Wild Ausschau zu halten. An einigen Tagen kamen sie trotz all ihrer Prahlerei nur mit ein paar Eichhörnchen oder Kaninchen zurück, aber manchmal erlegten sie auch Damwild. Gewöhnlich kehrten sie kurz vor Sonnenuntergang ins Lager zurück und warfen, hocherfreut über ihren Jagderfolg, einen Schlauch mit Kersek zwischen sich hin und her und unterhielten sich lauthals über die Jagd.
    Keshna bemerkte die finsteren Blicke der Nomaden nicht, die sich jedesmal, wenn sie und Keru ins Lager ritten, wie Dolche in ihren Rücken bohrten. Ihre einzige Sorge war, Luma könnte sich einsam und vernachlässigt fühlen, aber Luma pflichtete ihr bei, daß es eine gute Idee war, die Wachen daran zu gewöhnen, Keshna zu Pferd den Fluß durchqueren zu sehen.
    »Amüsier dich ruhig«, sagte Luma, »reite herum, bis niemand mehr bei deinem Anblick stutzig wird, und lerne Keru so gut wie möglich kennen.«
    Aber Keshna fand es schwierig, Keru näher kennenzulernen. Gewöhnlich erzählten ihr Männer alles, was sie wissen wollte, doch wenn sie und Keru allein miteinander waren, sagte er niemals irgend etwas Persönliches. Er erzählte nur lange Geschichten von Kämpfen, in die er verwickelt worden war, oder sprach über Fährten, Spiele und frühere Jagdausflüge. Manchmal hatte Keshna das Gefühl, er verberge sein wahres Ich absichtlich vor ihr, vielleicht irrte sie sich aber auch; vielleicht war er wirklich nicht mehr als der Typ Mann – der durchaus nicht selten unter den Nomaden war –, der aß, schlief, jagte, kämpfte und kopulierte, ohne es sich zweimal zu überlegen. Sie hatte den Verdacht, es wäre ihr vielleicht gelungen, unter die Oberfläche zu dringen, wenn sie mit ihm über seine Mutter hätte sprechen können, doch der Blick, den er ihr zuwarf, als sie das Thema einmal anschnitt, war so finster, daß sie es nicht wagte, Marrahs Namen je wieder zu erwähnen.
     
    Eine Woche verging; Lumas Knöchel wurde allmählich kräftiger, und sie humpelte bald unbeholfen im Lager umher. Eines Morgens setzte sie sich zum Ausruhen vor ein großes, braunes Zelt, das aussah, als habe jemand kürzlich eine Menge Zeit und Mühe darauf verwendet, es mit neuen Häuten auszubessern. Ein Stück hübsch gewebten Teppichs lag vor dem Eingang, und auf

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