Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde
haben. Hocherfreut über dieses außergewöhnliche Glück sprang Keru von seinem Lager auf, griff nach einem Wasserschlauch, goß sich etwas Wasser über den Kopf und schüttelte es ab. Unzählige Tröpfchen flogen ins Sonnenlicht, und verwandelten sich in einen regenbogenbunten Schleier. Keru lachte und spritzte sich noch mehr Wasser auf seine nackte Brust. Der heutige Tag würde schön werden. Der einzige Tag, der auch nur halb so schön gewesen war, war der Tag, als er mit Tlanhan auf die Jagd gegangen war und zwei wilde Eber erlegt hatte; aber was war Wildschweinfleisch im Vergleich zu dem Klaps auf den Schenkel, den Keshna ihm endlich versprochen hatte?
In aller Eile schlang er sein Frühstück herunter und trat dann nach draußen, um zu sehen, wie weit die Hochzeitsvorbereitungen waren. Nach dem gewaltigen Unwetter in der vergangenen Nacht hatte er befürchtet, das ganze Lager würde ein einziger Sumpf sein, aber der Boden war nicht aufgeweicht. Es hatte seine Vorteile, auf Flußsand zu kampieren.
Die Frauen waren schon vor ihm auf, und er sah zu seiner Freude, daß sie bereits das Hochzeitszelt aufgeschlagen hatten, wo er und Keshna ihre erste Nacht verbringen würden. Das Zelt war sehr hübsch, es war aus besonders weichem Kalbsleder und mit blauen und gelben Lederstreifen eingefaßt. Die Seiten waren mit Sonnen, Sternen und anderen glücksbringenden Symbolen bemalt, beispielsweise mit Blumen, die für Fruchtbarkeit standen, und Blitzen, die Potenz symbolisierten. Das Hochzeitszelt war eines der wenigen Dinge, die in gemeinschaftlichem Besitz der Krieger waren, und von allen Dingen im Lager sah es am sharanischsten aus.
Keru betrachtete das Zelt einen Moment lang und malte sich den Spaß aus, den er und Keshna haben würde. Dann grinste er. Das Zelt war ziemlich klein. Sie würden aufpassen müssen, daß sie es nicht umwarfen. Es würde sich nicht schicken, unter dem Zeltrand hervorzurollen, während sie es wie ein Paar wildgewordener Eichhörnchen miteinander trieben.
Er wandte seine Aufmerksamkeit Urmnak und Chamnak zu, die eifrig damit beschäftigt waren, auf fünf langen Teppichen die Hochzeitstafel zu decken. Er hatten Urmnak vor ein paar Wochen zu ihrem Bruder zurückgeschickt, ebenso wie Rimnak. Chamnak würde wahrscheinlich ebenfalls gehen müssen, denn Keshna hatte ihn gewarnt, daß sie nicht die Absicht habe, ihm noch genug Energie zu lassen, um sich mit einer Konkubine zu vergnügen; aber für den Moment war es nett, wieder alle seine Frauen um sich zu haben. Während die Konkubinen geschäftig hin- und hereilten, stiegen die köstlichen Gerüche von gebratener Kalbsleber, Hammelfleischragout, gegrilltem Fisch, gerösteten Grashüpfern und anderen Delikatessen aus den Körben auf, die sie umhertrugen, und vermischten sich mit dem Holzrauch der Morgenfeuer; aber Keru konnte keinen einzigen Kersekschlauch entdecken.
Seine freudige Stimmung bekam einen kleinen Dämpfer. Wo war Rimnak, und warum hatte sie noch nicht den gekühlten Kersek vom Fluß geholt? Die Sonne stieg bereits höher, und bald würden die Trommler eintreffen. Sobald sie zu spielen anfingen, würden die Frauen wissen, daß es Zeit war, sich vor dem Zelt einzufinden und mit dem Hochzeitstanz zu beginnen. Wenig später würden sich die Krieger dazugesellen, in der Erwartung, es gäbe reichlich zu trinken. Sie alle wollten sich prächtig amüsieren, während sie zuschauten, wie er Keshna »entführte «. Natürlich würde er nicht herbeigaloppiert kommen, sie an den Haaren packen und sie rauben, wie man es mit einer guten Nomadenehefrau tun sollte. Keshna hatte sich nicht nur energisch geweigert, bei einer solchen Sache mitzumachen, sie hatte damit gedroht, daß sie herbeigaloppieren und
ihn
entführen würde. Zum Glück hatte er ihr das wieder ausreden können, doch selbst wenn sie an diesem Morgen sanft und fügsam wie ein neugeborenes Lamm war (was er für äußerst unwahrscheinlich hielt), würde er sich bis auf die Knochen blamieren, wenn er keinen Kersek für seine Gäste hatte.
»Rimnak!« brüllte Keru. Allmählich wurde er ernstlich böse. Er mußte hier sein, um seine Krieger zu begrüßen, und hatte keine Zeit, sich auf die Suche nach einer eifersüchtigen Frau zu machen.
Ein Stück flußabwärts saß Keshna hinter einem Büschel Schilfrohr und ließ das Wasser über ihre nackten Beine und Schenkel strömen. Der Fluß war ziemlich seicht, nicht einmal taillenhoch, und der Untergrund war sandig und fest, aber Keshna
Weitere Kostenlose Bücher