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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Zahn,
    der Stein durchbohren kann.
     

    »Gebet an Choatk«
    Inschrift auf dem Heft eines Hansi-Dolches,
Staatliches Museum des Altertums,
Piastra Neamt, Rumänien
     

21. KAPITEL
    Changar und die drei Krieger zügelten ihre Pferde und ritten im Schritt auf Luma zu. Sie sah den weißen Blitz, der sich an Changars linker Körperseite entlangwand, sah die blauen Regensymbole auf seinen Wangen und dachte unwillkürlich an kalte Dinge: an Keshnas kalte blaue Lippen, den kalten Fluch und die endgültige Kälte des Todes. Sie hatte das Lager unbewaffnet verlassen. Sie hatte nichts, womit sie sich hätte verteidigen können. Sie hatte die erste Regel verletzt, die Stavan sie gelehrt hatte.
    Luma stand auf dem Pfad und verfluchte sich für ihre Dummheit. Der Reitertrupp, der ihr entgegenkam, war keine Rettungsmannschaft. Changar trug eine Halskette aus schwarzen Steinen in der Form eines Spinnennetzes. Seine Lippen und Zähne waren blutrot. Die blutroten Zähne machten ihre keine angst, sie hatte mehr als genug Nomaden in Kriegsbemalung gesehen. Aber beim Anblick der drei Krieger, die schweigend hinter ihm ritten, breitete sich ein lähmendes Gefühl der Furcht in der Magengrube aus. Einer der Krieger war ein großer Mann mit groben Zügen, grauen Augen und Haar von der Farbe von Eichenrinde. Sie erkannte ihn als Tlanhan wieder. Tlanhan war eigentlich Kerus Blutsbruder und bester Freund, aber wenn er mit Changar ritt, war es wohl mit ihrer Freundschaft vorbei. Die beiden anderen Krieger waren Gloshan und Wehan, Tlanhans Cousins – vielleicht auch seine Schwäger, das wußte Luma nicht mehr so genau. Sie hatten gebrochene Nasen, und ihr nackten Oberkörper waren mit häßlichen Narben aus zahllosen Kämpfen übersät. Luma wußte, sie hatte keinerlei Erbarmen zu erwarten.
    Sie dachte an Keshna, die weniger als zwanzig Schritte entfernt hilflos im Schlamm lag. Wenn sie versuchen würde zu fliehen, würde einer der Krieger sie umreiten und sie mit seinem Speer durchbohren.
    Changar bedeutete seinen Männern anzuhalten und ritt allein weiter. Er kam auf sie zu, bis er so nah war, daß sie den Schweiß seines Pferdes riechen konnte. Dann zog er seinen Dolch und schlug ihr mit der flachen Seite der Dolchklinge ins Gesicht.
    »Falte die Hände hinter dem Kopf und leg dich auf den Boden«, befahl er ihr und schlug sie abermals.
    Luma nahm den Schlag hin und starrte Changar in die Augen. Sie waren klein und scharf und grausam wie die Augen eines Falken. »Wenn du noch einmal die Hand gegen mich erhebst«, sagte sie ruhig, »wird Keru dich umbringen.«
    Changar hielt ihr die Schneide seines Dolches an die Kehle. »Deine Drohungen beeindrucken mich nicht.« Er drehte den Dolch herum und zog die flache Seite über ihren Hals, um sie die kalte Bedrohung der scharfen Klinge spüren zu lassen. »Wo ist deine Cousine?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Du bist eine schlechte Lügnerin.« Changar versetzte ihr einen so harten Schlag gegen die Luftröhre, daß sie anfing zu würgen. Plötzlich ging ihr auf, warum er sie nicht geschnitten hatte: Er hatte bestimmt die Absicht, sie zu opfern. Die Zauberpriester der Hansi glaubten, es würde ihre Götter beleidigen, wenn sie zu früh Blut fließen ließen. Wenn Keru es nicht schaffte, sie zu retten, würde sie enden wie das arme Lamm, das auf dem Altar von Chilana geschlachtet worden war. Die Vorstellung, wie Changar ihr die Kehle durchschnitt, flößte ihr panische Angst ein, aber sie wußte, wenn sie auch nur mit der Wimper zuckte, würde er es als ein Zeichen von Schwäche auffassen.
    Changar winkte Glashan und Wehan ungeduldig, die daraufhin ihre Pferde zum Trott antrieben und an Luma vorbeiritten, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Sekunden später kehrten sie mit Keshna zurück, die quer über dem Rumpf von Wehans Pferd hing.
    »Ich glaube, sie ist tot«, erklärte Wehan. Luma betrachtete Keshnas schlaffen Körper und ihre baumelnden Arme und flehte innerlich, daß Wehan keine Ahnung hatte, wovon er sprach.
    »Gut.« Changar wandte sich wieder an Luma. »Ich hatte zwar erwartet, euch beide tot vorzufinden, aber eine ist besser als gar keine.« Er griff hinter sich und löste ein zusammengerolltes Seil von einem Sattelknauf. Luma hörte das Sirren des Seils, als es durch die Luft flog, und fühlte die Schlinge über ihren Kopf fallen und auf ihre Schultern schlagen. Sie zog verzweifelt an dem Seil. Irgendwie gelang es ihr, einen Arm durch die Schlinge zu schieben, bevor sie der Länge

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