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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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bekommen. »Er ist ein besserer Kundschafter, er kann die Nomaden ausmanövrieren, und er bringt seine Krieger lebend zurück. Außerdem ist er Ranalas Bruder.«
    »Kandar ist mir zu friedlich«, erklärte Keshna. »Ich will kämpfen. Sieh dir Ranala an. Sie ist nicht durch Abwarten und Däumchendrehen Anführerin der Schlangen geworden. Die meisten Sharaner sind im Grunde ihres Herzens zahme Tauben. Alles, was sie wollen, ist Frieden – und wenn sie keinen Frieden haben können, dann kämpfen sie nur, um sich zu verteidigen. Ranala ist anders. Sie ist ungeheuer klug und geschickt, und sie ist aggressiv wie eine Peitschenschlange. Deshalb hat Stavan ihr auch das Kommando über sämtliche Verbände übertragen. Ranala ist zwar ein Kind des Muttervolkes, aber sie denkt wie eine Nomadin. Wir sind uns sehr ähnlich, Ranala und ich.«
    In diesem Stil pflegte die Diskussion weiterzugehen, während sie ein Argument gegen das andere ins Feld führten. Am Nachmittag, wenn die Sonne nur noch knapp eine Handbreit über dem Horizont stand, wendeten die Matrosen die Boote in Richtung Küste. Manchmal waren sie gezwungen, am Strand zu kampieren, doch gewöhnlich kamen sie in einem Dorf unter, wo man sie gastfreundlich begrüßte, ihnen eine warme Mahlzeit vorsetzte und einen behaglichen Platz zum Schlafen anbot. In jenen Nächten blieb Luma oft noch lange, nachdem Keshna und die anderen zu Bett gegangen waren, auf, um still im Schatten zu sitzen und den Dorfbewohnern zuzuhören, während diese sich unterhielten und auf das Wohl der Gäste tranken, die weder Freunde noch Verwandte waren.
    In diesem Herbst verliebte Luma sich in jeden: in zahnlose Dorfmütter, schreiende Babys, in Priesterinnen und Fischer, Mädchen und Jungen, die kaum alt genug waren, um ihren Namen zu lispeln, und in junge Männer, mit denen sie niemals gesprochen hatte und die sie niemals wiedersehen würde. Die Blumen des Nordens schienen feiner und zartduftender, das Essen köstlicher, der Wein süßer, und wenn sie beim Aufstehen dem Gesang fremder Vögel lauschte, empfand sie eine Art Ekstase, die sie nicht in Worte fassen konnte.
    Allmählich schlich sich jedoch ein düsterer Unterton ein. Die See verlor nicht die Fähigkeit, sie zu faszinieren, und sie wachte auch weiterhin jeden Morgen mit dem erregenden Gefühl auf, daß sie einem großen Abenteuer entgegenfuhr, aber zehn Jahre nach der Belagerung von Shara breitete sich ein dunkler Schatten nach Süden aus, und wie jeder, der in diesen unruhigen Zeiten gen Norden reiste, begann auch Luma ihn zu spüren. Jedesmal, wenn sie an Land gingen, waren die Dorfbewohner ein wenig furchtsamer und besorgter, und die Gefahr von Nomadenüberfällen schien zunehmend realer. Kaum eine Wochenreise von Alzac entfernt trafen sie auf die ersten befestigten Siedlungen, und bald darauf sahen sie ganze Gemeinden, von hölzernen Palisaden oder Lehmwällen umschlossen. Bislang war so weit südlich noch kein Nomadenkrieger gesichtet worden, aber es gab keine Dorfmutter und keinen Ältestenrat, der nicht von der Belagerung von Shara gehört hatte, und die meisten waren überzeugt, daß es nicht mehr lange dauern konnte, bis die »Tiermenschen« angriffen. So wurden die Nomaden von Leuten genannt, die noch nie Pferde gesehen hatten – »Tiermenschen« –, als seien Tier und Reiter ein und dasselbe Geschöpf. Ein- oder zweimal versuchte Luma, den Leuten begreiflich zu machen, daß Pferde sanftmütige, schuldlose Tiere waren, aber sie traf auf soviel Unglauben und erntete derart feindselige Blicke, daß sie es bald aufgab.
    Der Wendepunkt der Reise kam, als ein alter Mann ärgerlich wissen wollte, ob Luma Nomadin sei. »Du siehst seltsam aus«, sagte er, »und deine Reisebegleiter sehen noch merkwürdiger aus. Vielleicht ist diese Frau, die sich Marrah aus Shara nennt, ja die Tochter der alten Königin Lalah, vielleicht auch nicht. Aber dieser gelbhaarige Mann ist eindeutig nicht in den Mutterländern geboren worden, und diese rothaarige Frau sieht aus wie ein gottloses, unnatürliches Wesen.« Er beugte sich zu Luma vor und klopfte ihr hart mit einem knochigen Finger gegen das Knie. »Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, du und deine Freunde könntet Nomadenspione sein.«
    Luma war noch nie einem derart mißtrauischen Zeitgenossen begegnet, doch sie mußte zugeben, daß der alte Mann allen Grund hatte, sich Sorgen zu machen. Die Schutzwälle um die Siedlungen wurden immer höher, und als sie nur noch drei Tagesreisen von Shara

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