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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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stand wieder auf und wischte sich die feuchte Erde von den Händen. »Unmöglich zu sagen, in welche Richtung er geritten ist.« Einen kurzen Moment lang herrschte Schweigen.
    »He, worauf wartet ihr eigentlich noch?« rief Keshna plötzlich. »Los, laßt uns aufsitzen, in alle Richtungen ausschwärmen und versuchen, diesen Bastard zur Strecke zu bringen! «
    Nach dem, was Keshna getan hatte, war Kandar nicht dazu aufgelegt, sich von ihr Befehle erteilen zu lassen. Er starrte sie an, und seine Miene wurde finster und abweisend. Luma konnte förmlich spüren, wie er sich zwang, seine Liebe zu Keshna aus seinem Herzen zu verbannen. Als er sprach, ließ nichts in seiner Stimme darauf schließen, daß er auch nur die geringste Zuneigung zu ihr empfand. »Nein«, erwiderte er.
    Keshna schien ehrlich überrascht. »Was meinst du mit ›nein‹?« Ihr Mund war zwar zu einem Lächeln verzogen, aber Luma konnte sehen, daß es ein kaltes Lächeln war, erfüllt von Aufsässigkeit. »Das heißt doch wohl nicht, daß du uns tatsächlich befiehlst, untätig herumzustehen und Däumchen zu drehen, während ein feindlicher Krieger entkommt?«
    »Doch, genau das meine ich. Es hat keinen Sinn, tagelang einen einzelnen Mann aufzuspüren, nur um die Genugtuung zu haben, ihn zu töten. Wenn du ausnahmsweise einmal gründlich nachdenken würdest, Keshna, würdest du erkennen, daß es weitaus besser ist, den Mann zu seinem Lager zurückreiten zu lassen, damit er seinen Kameraden erzählen kann, was die Nattern mit Nomaden tun, die schutzlose Dörfer angreifen.«
    Aus der Truppe erhob sich zustimmendes Gemurmel.
    »Ja, laßt diesen Krieger unseren Ruhm verbreiten!« sagte Ursah. »Laßt ihn diesen Feiglingen erzählen, daß unsere Pfeile tödlich
    sind. «
    »... daß wir die Unschuldigen rächen.«
    »... daß wir für Batal und für die Gerechtigkeit reiten!«
    Keshnas Lippen wurden weiß. »Batal und Gerechtigkeit«, äffte sie die anderen nach. »Ihr sprecht wahrhaftig große Worte, meine lieben, tapferen Nattern, aber was ist das für eine Gerechtigkeit, die Falle aufzureißen und das Nomadenpack entwischen zu lassen?« Sie wandte sich an Kandar. »Ich glaube, du befiehlst uns nur deshalb, ihn laufen zu lassen, weil du denkst, wir schaffen es nicht, ihn zu finden. Du glaubst, der Bastard hat einen viel zu großen Vorsprung, richtig? Aber du irrst dich, Kandar. Ich könnte ihn aufspüren und töten, wenn du mich nur lassen würdest ...«
    Sie hätte vielleicht noch mehr gesagt, aber sie wurde von schallendem Gelächter unterbrochen. Jeder wußte, daß Kandar ein zehnmal besserer Fährtensucher war als sie. Als sie das spöttische Lachen der Nattern hörte, wurden Keshnas Augen ganz schmal, und sie funkelte die anderen mit der Wut und Empörung einer Frau an, die zutiefst beleidigt worden war. »Ihr seid Idioten, alle miteinander«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Sie klang so sehr wie Hiknak, daß es geradezu unheimlich war. »Und Kandar ist der größte Idiot von euch allen. Ich kann diesen Krieger finden. Und ich kann ...«
    »Still«, befahl Kandar barsch. »Halt den Mund! Du hast schon reichlich genug Schwierigkeiten für einen Tag gemacht. Ich lasse mir das nicht länger bieten. Deine Pflicht ist es, Befehle zu befolgen, und nicht, sie anzuzweifeln.«
    Keshna maß ihn mit einem langen, zornigen Blick. Das zweite Mal an diesem Tag hatte er sie gedemütigt: zuerst, als sie den Kopf des Kriegers hatte erbeuten wollen, und jetzt wegen dieser Sache hier. Aber er war der Anführer der Nattern, und selbst in ihrer Wut war sie vernünftig genug zu erkennen, daß sie aufhören mußte, vor allen anderen mit ihm zu streiten. Sie war jedoch auch Halbnomadin, und sie wußte, daß es andere Methoden gab, um sich für die erlittene Demütigung zu rächen. Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und verbeugte sich so tief vor Kandar, daß ihr Zopf den Boden streifte. »Jawohl, Rahan«, sagte sie mit spöttischer, trotziger Stimme. Einen Moment lang waren alle so schockiert und empört darüber, daß sie das Hansi-Wort für »Häuptling« benutzt hatte, daß sie Keshna nur sprachlos anstarrten.
    »Keshna!« schrie Luma sie an. »Hast du völlig den Verstand verloren? Wie kannst du Kandar derart beleidigen? Du hast ihn gerade einen Wolf genannt, einen Verräter und Tyrannen. Entschuldige dich bei ihm!«
    Hätte irgend jemand anderer eine solche Forderung an sie gestellt, hätte Keshna sich geweigert, aber der Klang von

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