Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
Vom Netzwerk:
zumindest keine, die er sehen konnte. Er betrachtete sein Gesicht derart ausgiebig, daß die Frau anfing zu lachen. Schließlich riß sie ihm den Spiegel weg und kitzelte ihn wie ein Kind unter dem Kinn.
    »Ach ja, du bist wirklich ein gutaussehender Mann«, sagte sie. Und dann, als habe sie seine Gedanken erraten, fügte sie hinzu: »Du hast viel zuviel Zeit damit verbracht, Keshna nachzutrauern. Als die Göttin dir ein solch schönes Gesicht und einen solch eifrigen Penis gab, wollte Sie, daß du das Bett mit allen möglichen Frauen teilst.« Sie nahm eine Mandel zwischen ihre Zähne, küßte ihn und schob ihm die Mandel in den Mund. »Du solltest dich niemals an eine Frau vergeuden, die dich nicht will, wenn es so viele andere Frauen gibt, die dich begehren.«
    Kandar wußte, daß das ein guter Rat war, und er beschloß, ihn zu befolgen. Er blieb zwei Wochen bei der Frau, und dann nahmen sie Abschied voneinander, und er zog zu einer neuen Geliebten. In der folgenden Woche zog er wieder weiter und eine Woche später abermals, wechselte von Mutterhaus zu Mutterhaus und teilte mit einer bereitwilligen Frau nach der anderen Lust. Er und seine Geliebten sangen sich gegenseitig Liebeslieder vor, widmeten einander selbstverfaßte Gedichte, lachten viel und tranken eine Menge Wein.
    Dennoch war noch immer etwas nicht in Ordnung. Er lag mit vielen Frauen und verehrte den Geist der Göttin in jeder einzelnen von ihnen, doch obwohl sein Körper warm und bereitwillig war, wollte das dumpfe Gefühl der Betäubung in seinem Herzen einfach nicht weichen. Jedesmal, wenn er Keshna begegnete – und er sah sie ständig, weil Shara eine kleine Stadt war und es keine Möglichkeit gab, ihr aus dem Weg zu gehen – fühlte er das schmerzhafte Kratzen jener eisigen Knochen in seiner Kehle.
     

11. KAPITEL
    Ranala brauchte nur einen Blick auf ein zerdrücktes Blatt zu werfen, um auf Anhieb zu erkennen, wie lange es her war, daß an jener Stelle ein Nomadenspähtrupp vorbeigeritten war, wie erschöpft ihre Pferde waren, in welche Richtung sie strebten und wo man sie am besten aus dem Hinterhalt überfallen konnte, aber von ihrem Wesen her war sie eher oberflächlich, und obwohl dies vielleicht eine gute, wenn nicht sogar notwendige Eigenschaft für eine Kriegerin war, führte es oft dazu, daß sie dumme Fehler machte, wenn es um die Gefühle anderer Menschen ging.
    In jenem Frühjahr war sie erfreut darüber, daß Kandar sich in ein Bett nach dem anderen einlud und all den Frauen, mit denen er Freude teilte, sinnlichen Genuß verschaffte, aber niemals länger bei einer verweilte. Genauso sollte Sex sein, dachte Ranala, ein langsamer Tanz, bei dem alte Partner fröhlich gegen neue ausgetauscht werden. Wenn zwei Leute miteinander lagen, sollte es keine vertrackten Emotionen geben. Kandars neue Geselligkeit fand voll und ganz ihre Zustimmung, für sie war es ein Zeichen dafür, daß er seinen Liebeskummer endlich überwunden hatte. Und eines Morgens, als sie nebeneinander auf der fernen Weide standen und ihre Speere auf eine Reihe von mit Stroh ausgestopften Säcken schleuderten, sagte sie ihm dies auch in ihrer gewohnt unverblümten Art.
    »Ich bin froh, daß du endlich angefangen hast, deinen Penis dort hineinzustecken, wo man ihn zu schätzen weiß«, meinte Ranala. Ihr Speer machte ein dumpfes Geräusch, als er auf einen der Säcke prallte und mitten ins Ziel traf. »Es war töricht von dir, den gesamten Winter um Keshna zu trauern. Seit der Zeit, als sie ihrer Mutter nur knapp bis zum Knie reichte, hat sie nichts als Ärger gemacht. Sie ist eine Mischung aus Quälgeist, Ratte, geschwätziger Elster, Unruhestifterin und verzogenem Kind, und nur ein Mann mit dem Verstand einer Miesmuschel würde seine Zeit damit vergeuden, um sie zu trauern.«
    Kandar lachte. In seinem Lachen schwang etwas Hohles und Verkrampftes mit, aber Ranala hatte ihren Speer aus dem Sack herausgezogen und war zu sehr damit beschäftigt, die Leder-schnüre zu überprüfen, die die Spitze mit dem Schaft verbanden, um es zu bemerken.
    »Ach, Schwester«, erwiderte er, »bei dir kann ich mich doch immer darauf verlassen, daß du mir Komplimente machst.« Er schleuderte seinen Speer mit solcher Wucht, daß er glatt durch den Sack hindurchging. »Mach mir das nach, wenn du kannst.«
    »Nicht übel«, meinte Ranala anerkennend. »Wenn dieser Sack ein Nomadenkrieger wäre, hättest du ihn glatt aufgespießt.«
    Kandar ging zu dem Sack, um seinen Speer zu holen, und eine

Weitere Kostenlose Bücher