Althalus
seines Abenteuers in Kwesos Haus. Er hätte sich keinen besseren Zuhörer als Gher wünschen können und genoss es, bis Dweia darauf aufmerksam machte, dass es Zeit sei, wieder an die Arbeit zu gehen.
Während sie die Treppe hinaufstiegen, fiel Althalus die verschwörerische Miene Andines auf, und er erinnerte sich, dass sie Dweia zur Seite gezogen hatte, ehe sie sich an die Mittagstafel setzten. Auch um Dweias Lippen spielte ein verschmitztes Lächeln. Da war etwas im Busch!
»Da gibt es eine Sache, die verstehe ich nicht ganz«, gestand Bheid, als Dweia noch einmal die Geschichte von Treborea durchging. »Ihr habt mehrmals erwähnt, dass die Küste der Südsee sich verändert hat.«
»So ist es auch.« »Was kann einen Küstenverlauf verändern? Ich dachte immer, dass Dinge wie Berge und Küsten unwandelbar seien.«
»Aber nein, Bheid.« Dweia lachte. »Sie verändern sich ständig. Die ganze Welt wechselt langsam aber stetig ihr Aussehen. Selbst bei den Bergen ist es ein Auf und Ab wie bei den Gezeiten, und die geringste Veränderung des Klimas kann den Verlauf einer Küste um Hunderte von Meile n verschieben. Ein Mensch lebt nicht lange genug, dass ihm derartige Veränderungen auffallen könnten, aber sie finden statt. Die Südküste weicht bereits seit mehr als zweitausend Jahren zurück.« Dweia wies aus dem Fenster, das nach Norden lag.
»Das Eis da oben ist Schuld daran.«
»Wie kann Eis im hohen Norden eine solche Auswirkung auf die Südküste haben?« »Eis ist gefrorenes Wasser.« »Ja, sicher. Und?« »Es gibt nur eine bestimmte Menge Wasser. Diese Menge ist
gleich bleibend. Ein Teil davon findet sich in den Gewässern, ein anderer in der Luft -zum Beispiel Regenwolken -, und wieder ein anderer ist in den Gletschern gefangen. Dann und wann ver ändert sich das Klima. Es wird kälter und die Gletscher wachsen. Immer mehr Wasser wird in den Gletscher n eingeschlossen und immer weniger bleibt für die Gewässer und die Wolken. Es regnet kaum mehr und der Meeresspiegel fällt. Dadurch verändert sich der Küstenverlauf. Das Meer an der Südküste war nie sehr tief und je mehr Wasser zurückweicht, desto mehr Land kommt zum Vorschein.«
»Die Werke Gottes sind wundersam«, zitierte Bheid fromm.
»Mein Bruder würde sich freuen, das zu hören«, stellte Dweia trocken fest.
»Deiwos ist allmächtig.«
»Ich meinte meinen anderen Bruder.«
Bheid starrte sie entsetzt an.
»Diese Klimaveränderung hat Daeva verursacht«, erklärte sie ihm. »Wir leben in interessanten Zeiten. Daeva hat seine Leute um sich geschart, und ich die Meinen um mich. Wir stehen vor einem großen Krieg, Bheid, und Daeva wird tun, was er nur kann, um Ghend einen Vorteil zu verschaffen. Die Gewässer weichen zurück, und wenn sich die Gletscher erst in Bewegung setzen, werden die Berge zu Maulwurfhügehi zermalmt. Die Dürre wird Hungersnöte nach sich ziehen, und riesige Reiche werden zerfallen. Ist das nicht aufregend? «
»Es ist das Ende der Welt!«, rief Bheid entsetzt.
»Nicht wenn wir siegen.«
»Und nun sonnst du dich im Bewusstsein deiner Wichtigkeit,
nicht wahr, Bheid?«, meinte Leitha spöttisch. »Rette die Welt, Junge!
Rette sie!«
»Das genügt, Leitha!«, rügte Dweia das blasse Mädchen.
»Ich konnte eine so gute Gelegenheit einfach nicht ungenutzt verstreichen lassen, Dweia«, entschuldigte Leitha sich.
»Ist es nicht an der Zeit für… ?«, begann Eliar.
Andine saß in dem Sessel neben ihm. Althalus war aufgefallen, dass sie den jungen Arumer den ganzen Nachmittag nicht aus den Augen gelassen hatte. Sie tippte ihm mit der Linken aufs Handgelenk und bot ihm mit der Rechten ein großes Stück Käse an. Eliar nahm es beinahe abwesend und aß.
Andines Lächeln war wie die aufgehende Sonne. Dweia warf Althalus einen heimlichen Blick zu und ihr Gedanke schnurrte: »Hast du das gesehen?« »Natürlich«, antwortete er stumm. »Hast du sie dazu aufgefordert? «
»Nein, es war ihre eigene Idee. Sie hat einen kleinen Beutel mit Leckerbissen unter ihrem Sessel. Jedes Mal wenn Eliars Magen zu knurren anfängt, gibt sie ihm etwas zu essen. Wenn du näher hinsiehst wirst du bemerken, dass es dem Jungen gar nicht richtig bewusst wird. Andine behauptet, sie gibt ihm das Essen, damit er den Unterricht nicht stört. Aber ich habe das Gefühl, es steckt ein bisschen mehr dahinter. Auf gewisse Weise will sie ihm etwas Gutes tun und ihm Abbitte leisten, so wie damals bei Gher, als sie ihm die neue Frisur
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