Althalus
den Jungen. »In Wahrheit war er dort, um ein Auge auf uns zu werfen.«
»Khnom ist der geborene Betrüger. Er kann seine Miene, sein ganzes Auftreten in Windeseile verändern«, berichtete Dweia weiter. »Er kann reizend sein und sich einschmeicheln, doch nur ein Tor würde ihm trauen.«
»Mir gefällt diese Geschichte allmählic h«, sagte Gher begeistert.
»Welcher von Ghends Knechten war der nächste?«
»Gelta.«
»Die Dame im Eisenhemd mit dem Pferd auf den Wolken?«
»Genau die. Sie war vor etwa sechstausend Jahren die Königin
eines kriegerischen Stammes in Ansu.«
Bheid runzelte die Stirn. »War das für Ansu nicht ungewöhnlich? Soviel ich weiß, betrachten ansunische Männer Frauen nicht einmal als Menschen.«
»Du hast sie selbst gesehen, Bheid«, entgegnete Dweia. »Sie ist groß und kräftig wie ein Barbarenkrieger, nur viel wilder. Gelta ist eine ausgesprochen hässliche Frau mit pockennarbigem Gesicht und großer Nase. Sie wuchs unter den Kriegern ihres Vaters auf und denkt mehr wie ein Mann denn eine Frau. Sie ist durch Blut gewatet, um auf den Thron zu kommen, und wer sie ihres Geschlechts wegen ablehnte, lebte nicht mehr lange genug, den nächsten Sonnenuntergang zu sehen.«
»Wie in aller Welt ist es Ghend gelungen, eine solche Frau zu bekehren?«, fragte Bheid verwundert.
»Er gab ihr Macht, Bheid. Gelta hat viele Begierden, und die nach Macht ist noch größer als die anderen. Für ihre Seele bot er ihr die Herrschaft über das Reich, was Gelta für einen guten Handel hielt.«
»Wer kam danach? «, fragte Eliar.
»Tausend Jahre vergingen, bis sie den nächsten Rekruten fanden«, erzählte Dweia die Geschichte weiter. »Nach dem Niedergang Medyos durch die Religionskriege des fünften Jahrtausends erlebte das Deikanische Reich seinen Aufstieg. Anfang des sechsten Jahrtausends war ein Priester des Equero-Gottes Apwos in der Stadt Deika zu Hause. Er hieß Argan und hatte einen heftigen Streit mit seinem Hohen Priester über irgendeine obskure astrologische Frage. Der Hohe Priester befahl ihm schließlich, Abbitte zu tun, doch Argan weigerte sich. Da stieß der Hohe Priester ihn dank der Macht seines Amtes aus der Priesterschaft aus.«
»Großer Gott!«, entfuhr es Bheid. »Das ist ja schrecklich!«
»Dieser Meinung war auch Argan. Der Sinn seines Lebens war ihm genommen, und er fiel in absolute Verzweiflung. Ghend pflückte ihn wie einen reifen Apfel.«
»Gibt es wirklich einen Gott namens Apwos?«, fragte Gher.
»Es ist eine Abwandlung von ›Deiwos‹«, erklärte Dweia. »Der Name ›Apwos‹ bedeutet ›Wassergott‹, so wie ›Kherdos‹ ›Hirtengott‹ bedeutet. Die Medyoner blickten zum Himmel, die Equeroaner auf ihre Seen, und die Wekti und Plakander auf ihre Schaf-und Rinderherden. Sie bedienen sich unterschiedlicher Namen, aber sie alle meinen denselben Gott.«
»Wissen sie das? «
»Nicht wirklich.« Dweia zuckte die Schultern. »Ich hatte ungefähr ein Dutzend verschiedener Namen, seit das alles begann. Wie dem auch sei - Ghends letzter Rekrut lebte vor dreitausend Jahren in Regwos und besaß die gleiche Gabe wie Leitha.«
»Ich würde es nicht als Gabe bezeichnen«, wandte Leitha ein.
»Koman sieht das anders. Regwos ist ein armes Land. Ursprünglich hatte Osthos es erschlossen, doch es ist unfruchtbar und es gibt nur sehr wenig Gold dort.«
»Wir haben noch ein paar Ansiedlungen entlang der Küste«, warf Andine ein, »aber sie kosten uns mehr, als wir je aus ihnen herausholen können. Sie sind bloß eine Bürde.«
»Koman benutzte seine Gabe, um Geheimnisse aufzuspüren«, erzählte Dweia weiter. »Dann verkaufte er sie. Zufällig lernte er Ghend kennen. Ihm gefiel, was er in dessen Gedanken lesen konnte. Er brauchte nicht angeworben zu werden, er schloss sich freiwillig an.« Sie lächelte. »Althalus hat dem armen Koman etwas Entsetzliches angetan, als wir ihm begegnet sind. Aber das weiß Leitha bes ser zu würdigen als ihr anderen.«
»Emmy hat mich gewarnt, dass Koman versuchen würde, meine Gedanken auszuspionieren«, erklärte Althalus. »Sie riet mir zu zählen -aber nicht der Reihe nach, sondern kreuz und quer, vor und zurück. Um die Sache interessanter zu machen, habe ich ein paar Brüche hinzugefügt -sieben und fünf Achtel, zweiundneunzig und zwölf Zweiunddreißigstel und dergleichen. Aber Koman schien das gar
nicht lustig zu finden.«
Leithas Augen wurden plötzlich ganz groß und sie schauderte. »Althalus, bitte versprecht mir, dass Ihr
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