Althalus
verpasste.«
»Sie ist ein sehr kompliziertes kleines Mädchen, nicht wahr?« »Das ist sie in der Tat«, pflichtete Dweia ihm bei. »Aber im Grunde genommen ein sehr liebes.«
»Wie lange sind wir bereits hier, Althalus?«, erkundigte Eliar sich
ein paar Tage später, als sie zum Turmgemach hinaufgingen.
»Wenigstens einen Monat.«
»Das dachte ich auch. Tut sich draußen etwas Eigenartiges?«
»Eigenartiges?«
»Die Tage müssten dem natürlichen Lauf der Dinge gemäß kürzer werden, doch soweit ich es beurteilen kann, ist das nicht der Fall.«
»Dweia spielt ein bisschen, das ist der Grund.«
»Ich verstehe nicht…«
»Ich auch nicht, jedenfalls nicht völlig. Dweia beeinflusst die Zeit. Wahrscheinlich erleben wir ein und denselben Tag immer wieder, nur dass in seinem Verlauf ständig etwas anderes geschieht.«
»Es bringt wohl nichts, wenn ich sage, dass so etwas unmöglich ist, oder?«
»Hör zu, Eliar. Ghend treibt sich da draußen herum, und wir müssen bereit sein, seine Pläne zu vereiteln, was immer er versucht. Das Problem ist, dass wir noch nicht so weit sind. Des halb hat Dweia uns hierher ins Haus gebracht. Hier gebietet sie über die Zeit. Wenn wir Jahre brauchen, uns vorzubereiten, wird sie uns diese Jahre geben, doch sobald wir draußen in der Wirklichkeit sind, wird seit unserem Kommen nur ein Tag vergangen sein.«
»Nur dass wir um fünfzehn Jahre älter sind.«
»Ich glaube nicht, dass es so verläuft, Eliar.«
»Ich verstehe nicht.«
»Da bist du nicht der Einzige.«
»Halte dich bitte von unseren Gedanken fern, Leitha«, tadelte Dweia sie später am Vormittag.
»Ich kriege es nicht in den Griff«, gestand das flachsblonde Mädchen seufzend. »Ich wollte, ich könnte es. Aber sobald ich jemanden anschaue oder reden höre, stelle ich mich auf ihn ein. Spricht dann ein anderer, beschäftige ich mich sofort mit ihm. Ich will es gar nicht, es geschieht von ganz allein.«
Dweia öffnete das Buch. »Am besten wir unternehmen sofort etwas dagegen. Deine Gabe -wenn wir sie so nennen wollen -ist völlig vom Zufall bestimmt, sodass sie sich nicht in Schach halten lässt.« Sie sah die obersten Blätter des Buches durch, bis sie offenbar die richtige Seite gefunden hatte, und holte sie hervor. »So ist Deiwos das gleiche Problem angegangen. Seine Lösung ist simpler als meine, deshalb ist es vielleicht ganz gut, wenn du damit anfängst. Später zeige ich dir, wie ich es mache.«
»Ich werde alles versuchen, Dweia«, versprach Leitha ihr inbrünstig. »Ich will dieses Ding nicht in meinem Geist.« Sie nahm Dweia das knisternde Pergament aus der Hand und blickte darauf. »Ich dachte, ich könnte es lesen, aber die Buchstaben sind mir unbekannt. Ich vermag sie nicht zu deuten.«
»Es ist eine sehr archaische Schrift, Leitha. Es gibt eine Möglichkeit, sie rascher zu entziffern. Leg das Blatt einfach auf das Buch und drück deine Hand darauf.«
»Ihr wollt, dass ic h mit der Hand lese?«, fragte Leitha ungläubig.
»Außer du möchtest lieber deinen Fuß dazu benutzen. Versuch es einfach, Leitha.«
Das bleiche Mädchen legte zweifelnd die Seite auf das weiß über zogene Buch und drückte dann die Hand darauf. Ihre blauen Augen wurden immer größer. »So einfach kann es doch nicht sein!«, sagte sie kopfschüttelnd.
»Wie wäre es, wenn du's versuchst.«
Leitha lehnte sich zurück und schloss die Lider. Auf ihrem Gesicht erschien ein Ausdruck beinahe überirdischen Friedens. Plötzlich riss sie die Augen weit auf und holte tief Luft.
Dann schrie sie abrupt. »Du bist zu weit gegangen, Leitha«, erklärte Dweia, »und warst ein kleines bisschen zu schnell.« »Alles ist so leer!« Leithas Stimme zitterte. »Da ist gar nichts mehr!«
»Weil du ein wenig über das Ziel hinausgeschossen bist, Liebes. Ganz so weit solltest du eigentlich nicht kommen. Wenn du fleißig übst, wird es immer besser. Du musst es knapp über den Kopf eines jeden um dich herum richten. Zwar wirst du dann immer noch das leise Murmeln hören, dem du dein Leben lang gelauscht hast, aber die Gedanken wirst du nicht mehr vernehmen. Willst du sie aber hören, brauchst du deine Aufmerksamkeit lediglich der Person zu widmen, deren Gedanken dich interessieren.«
Leitha schüttelte sich. »Was war diese grauenvolle Leere?«
»Der Klang des Nichts, Leitha. Du hattest sie auf die Decke gerichtet, weißt du.« »Versteht das irgendjemand?«, erkundigte Eliar sich verwirrt. »Leitha hat ein Paar extra Ohren«, erklärte
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