Althalus
wandte Althalus sich an ihren Gastgeber. »Geht etwas vor sich, was ich wissen sollte?«
»Es ist ein Überbleibsel aus den alten Stammesfehden, Althalus. Kein Häuptling traut einem der anderen völlig. Diese Zusammenkunft, die ich für Euch einberufen habe, ist ein Bruch mit der Tradition, und die anderen betrachten das Treffen mit Argwohn. Die Geschichte der Arumer ist eine tragische Wiederholung von Täuschung, Verrat und offenem Mord. Wir sind stets wachsam, wenn wir uns ins Gebiet eines anderen Stammes begeben. Hätte ich nicht so mit Eurem Gold geprahlt, hätten die meisten gar nicht zugesagt. Es wird ein bisschen lebhafter, sobald Twengor eingetroffen ist.«
Der dicke, bärtige Häuptling Twengor war betrunken, als er sich Albrons Festung näherte, und sein Neffe, Häuptling Laiwon, ritt dicht neben ihm, um darauf zu achten, dass sein im Sattel schwankender Onkel nicht vom Pferd fiel. Twengor grölte alte Trinklieder, die in der Schlucht nicht gerade melodisch widerhallten. Laiwon war ein schroffer junger Mann, der offenbar im Schatten seines berühmten Onkels stand.
Häuptling Gweti traf als letzter ein. Althalus entging nicht, dass die anderen ihm auswichen. Gweti hatte einen übergroßen Schädel, jedoch ein winziges Gesicht, das kaum ein Viertel davon einnahm. Seine hervorstehenden Augen waren unruhig und seine rechte Wange zuckte nervös. Seine Stimme erinnerte an das Blöken eines Schafes.
»Ich hatte gedacht, sie wären alle mehr wie Albron«, gestand Andine ihren Freunden mit etwas besorgter Miene. »Aber sie sind primitive Barbaren.«
»Plagen dich jetzt etwa Zweifel, was deine Fähigkeiten als Rednerin betrifft?«, spöttelte Leitha.
»Nein, das nun wieder nicht, aber ich werde es wohl anders angehen müssen. Albron ist ziemlich gebildet, doch um die Aufmerksamkeit der anderen Häuptlinge zu gewinnen, werde ich wohl die Holzhammermethode anwenden müssen.«
»Ich kann es kaum erwarten, deine Rede zu hören, Andine.«
»Um ehrlich zu sein, Leitha, ich selber auch nicht«, entgegnete Andine mit immer noch besorgter Miene.
Die Häuptlinge von Arum und ihre Gefolgsleute versammelten sich am Morgen nach Gwetis Ankunft zum Frühstück in Albrons Halle. Der Lärm war beachtlich. Albron legte auf ein Mindestmaß an Tischmanieren Wert, doch einige der anderen hatten offenbar noch nie etwas davon gehört. Nach dem Frühstück schlug Albron vor, dass die Häuptlinge ihm mit ihren Beratern in ein ruhigeres Gemach folgen sollten. Dort könnten sie darüber sprechen, aus welchem Grund er, Albron, um diese Zusammenkunft ersucht hatte.
Die Ratskammer, zu der er sie führte, lag im hinteren Teil der Festung, fernab des fast ohrenbetäubenden Lärms in der Speisehalle. Die Kammer war vollkommen sicher und streng bewacht und befand sich nicht in einem der Türme. Einer alten arumischen Sage zufolge war es in einem Turm einst zu einem fürchterlichen Gemetzel gekommen. Seit damals fanden alle Sitzungen arumischer Häuptlinge traditionsgemäß im Erdgeschoss statt. In der Mitte des Raumes stand ein langer Tisch mit großen Sesseln für die Häuptlinge, dahinter kleinere für die Berater. Die zwanzig Fässer voll Gold, die Eliar aus dem Haus herbeigeschafft hatte, waren unauffällig in einer Ecke abgestellt. Die Sessel für Althalus und seine Gefährten standen am unteren Tischende, von wo sie alle Häuptlinge im Auge behalten konnten.
»Worum geht es hier, Albron?«, donnerte Twengor. »Seit über einem Jahrhundert hat niemand eine Zusammenkunft aller Häuptlinge einberufen.«
»Der Herrscher einer der Stadtstaaten von Treborea hat sich an mich gewandt«, erwiderte Albron. »Offenbar braucht man dort Söldner.«
»Und du willst uns mitverdienen lassen?«, blökte Gweti. »Das sollen wir dir glauben?«
»Der betreffende Herrscher will mehr Männer, als ich ihm bie ten kann«, entgegnete Albron. »Recht besehen haben wir alle zusammen nicht genügend. Es gibt reichlich Arbeit -und Gold -für jeden unversehrten Mann in ganz Arum.«
»Ich liebe es, wenn jemand von Gold spricht«, sagte Gweti mit verträumten Gesichtsausdruck.
»Ich schließe aus deinen Worten, Albron, dass diese Fremden die Abgesandten des erwähnten Herrschers sind.« Koleika blickte Althalus an.
»Darauf wollte ich gerade kommen«, antwortete Albron. »Flachländer haben Sitten, die uns völlig fremd scheinen. So merkwürdig und unpassend wir es auch finden mögen, dort ist es nicht ungewöhnlich, dass eine Frau auf dem Thron
Weitere Kostenlose Bücher