Althalus
Tagesanbruch an dieser Ortschaft vorbeieilen.«
»Ich bin nicht schläfrig, Althalus.«
»Kein Wunder, du hast ja auch den ganzen Tag geschlummert. Marschieren musste ich, und deshalb bin ich jetzt ziemlich müde.«
»Na gut, dann ruh deine armen Beine eben hier aus.«
So müde war Althalus aber auch wieder nicht. An der kleinen Ortschaft war ihm beim ersten Blick etwas aufgefallen: Am Südende gab es eine Koppel mit Pferden, und über dem Gatter lagen einfache Sättel ausgebreitet. Es war immer noch ein weiter Weg nach Arum und Reiten würde schneller gehen -und leichter sein -, als zu marschieren.
Er beschloss, Emmy mit seinem Plan nicht in Gewissensqualen zu bringen. Schließlich war er ein Meisterdieb und ohne weiteres fähig, ein Pferd und einen Sattel ohne Hilfe -oder unerwünschte Bemerkungen - zu stehlen.
Althalus bereitete das Abendessen zu. Nachdem sie gegessen hatten, kuschelten sie sich unter seinen Umhang und schliefen. »Was tust du?«, erkundigte Emmy sich schläfrig in seinem Kopf, als er kurz nach Mitternacht zum Aufbruch rüstete.
»Ich dachte, wir sollten uns früh auf den Weg machen, um diese Ortschaft hinter uns zu haben, ehe die Leute aufwachen. Des Nachts zu wandern bietet die beste Möglichkeit, nicht gesehen zu werden.«
»Es stört dich doch nicht, wenn ich noch ein bisschen weiterschlafe, oder?« »Natürlich nicht, Em, kuschle dich wieder in die Kapuze und träum was Schönes.«
Sie drehte sich so lange in der Kapuze seines Umhangs herum, bis sie die bequemste Stellung gefunden hatte und schnurrte sich wieder in den Schlaf.
Sie erwachte allerdings ziemlich abrupt, als Althalus sein neues Pferd zum Galopp antrieb.
»Ich hätte es ahnen müssen«, murmelte sie.
»Wir befinden uns auf einer Art heiligen Mission, Em, nicht wahr?«, entgegnete er mit ironischem Pathos. »Wir wollen die Welt retten. Da ist es doch gut und ric htig, dass die Menschen auf unserem Weg ihr Scherflein dazu beitragen, meinst du nicht?«
»Du änderst dich wohl nie, Althalus.«
»Wahrscheinlich nicht. Schlaf weiter, Em. Ich habe jetzt alles im
Griff.« Im Sattel kamen sie schnell voran und erreichten das Wald land von Hule zwei Tage nachdem Althalus das Pferd »beschlagnahmt« hatte. Da und dort gab es Ortschaften im tiefen Wald von Hule, was Althalus erzürnte. Hule war wild und einsam gewesen, aber nun waren schmuddelige Menschen hergekommen und hatten die einst so stille Gegend verseucht. Die Ortschaften waren eine Ansammlung verwahrloster Blockhütten auf schlammigem Boden, und alle waren von stinkenden Abfällen umgeben. Das störte Althalus jedoch nicht so sehr wie die Tatsache, dass die Eindringlinge Bäume fällten, deren Stümpfe nun überall traurig herumstanden. »Zivilisation«, brummte er in tiefster Verachtung. »Was?«, erkundigte Emmy sich schläfrig. »Diese Leute fällen Bäume, Em!« »Das tun die Menschen nun mal, Schatz.« »Erbärmliche Menschen meinst du. Menschen, die sich vor der Dunkelheit fürchten und über Wölfe reden, ohne das Wort ›Wolf‹ auszusprechen. Verschwinden wir von hier. Der Anblick dieser Müllhalde macht mich krank.« Auf ihrem Weg in den Süden kamen sie an ein paar weiteren Ansiedlungen vorbei, und Althalus' Meinung über deren Bewohner wurde nicht viel freundlicher. Seine Stimmung besserte sich jedoch, als sie durch die Ausläufer von Arum ritten. Althalus hielt es für unwahrscheinlich, dass der Mensch, und wenn er noch so zivilisiert wurde, je eine Möglichkeit fände, die Berge niederzureißen. Sie begannen das Vorgebirge zu erklimmen. Am zweiten Tag, als der Abend sich über die Berge senkte, ritt Althalus ein Stück den schmalen Pfad zurück und errichtete ihr Nachtlager auf einer kleinen Lichtung. »Könnten wir als Nachtmahl Fisch haben?«, bat Emmy, nachdem das Feuer loderte. »Ich dachte eigentlich an Rindfleisch.«
»Das hatten wir doch gestern erst.«
Althalus wollte etwas sagen, lachte dann aber nur.
»Was ist so komisch?«
»Hatten wir ein solches Gespräch nicht schon einmal? Ich weiß
noch, wie wir uns darüber unterhielten, dass wir sechs oder acht
Tage hintereinander das Gleiche aßen.«
»Das war etwas anderes.«
»Ja, sicher«, gab er nach. »Na gut, Schatz, wenn du Fisch möchtest, essen wir Fisch.«
Sie schnurrte erwartungsvoll.
Althalus schlief gut in dieser Nacht, doch ein beinahe vergessener Instinkt warnte ihn kurz vor dem Morgengrauen vor nahender Gefahr. »Jemand kommt, Em«, weckte er sie mit einem eindringlichen
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