Althalus
›Gebieter‹ nennst, flechte ich dir die Finger und Zehen zusammen. Ich heiße Althalus, also nenn mich bitte auch so.«
»Ist das wirklich Euer Name? In unserem Clan gibt es eine Sage über einen Althalus.«
»Ich weiß. Häuptling Albron hielt es nur für einen Zufall, aber da hat er sich getäuscht.« Althalus verzog das Gesicht. »Mein Name ist so ziemlich das einzige Wahre an der Sage. Der Rest ist die größte Lüge, die ich in meinem Leben hörte -und ich habe eine ganze Menge Lügen gehört. Ich will es dir nicht verheimlichen, Eliar. Ich bin derjenige, der Gosti Fettwanst vor fünfundzwanzig Jahrhunderten ausgeraubt hat, aber Gosti hatte kein Gold in seiner Schatzkammer, nur Kupfer und ein bisschen Messing. Er wollte, dass alle glaubten, er sei der reichste Mann der Welt, also verbreitete er wilde Lügen, wie viel Gold ich ihm gestohlen hätte. Du kannst dir nicht vorstellen, in welche Schwierigkeiten ich dadurch geraten bin.«
»Niemand kann so lange leben!«, entgegnete der Junge abfällig.
»Das dachte ich auch, bis Emmy mich eines Besseren belehrte. Aber kommen wir zur Sache. Kannst du lesen?«
»Krieger vergeuden ihre Zeit nicht mit solchem Unsinn.«
»Da ist aber etwas, das du lesen musst.«
»Ich habe Euch eben gesagt, dass ich nicht lesen kann, Althalus.
Ihr werdet es mir vorlesen müssen.«
»Nein. Das würde zu nichts führen.« Althalus zog den Dolch aus seinem Gürtel und hielt ihn Eliar entgegen. Er deutete auf die
komplizierte Gravur der Klinge. »Was sagt dir das?«, fragte er.
»Ich kann nicht lesen! Das habe ich Euch doch schon gesagt!«
»Schau die Klinge an, Eliar. Wenn du das nicht tust, kannst du
natürlich auch nicht lesen.«
Eliar blickte auf die blattförmige Klinge und riss erschrocken den Kopf zurück. »›FÜHRE!‹ steht darauf!«, rief er. »Ich kann es wahrhaftig lesen!« Dann fuhr er zusammen, als die Melodie des Dolches ihn berührte.
»Hübsch, nicht wahr?«, meinte Althalus.
Emmy hatte beobachtend in der Nähe gesessen. Jetzt erhob sie sich und schlenderte zu ihnen. Sie betrachtete Eliar, der immer noch benommen auf den Dolch starrte. »Befiel ihm etwas, Althalus«, riet sie. »Lasst uns sichergehen, dass du ihn vollkommen beherrschst, bevor du ihm den Dolch aushändigst. «
Althalus nickte. »Steh auf, Eliar!«
Der Junge plagte sich sofort auf die Füße. Er schwankte ein wenig und drückte sich eine Hand an die Schläfe. »Es hat mich ein bisschen schwindelig gemacht«, gestand er.
»Tanze!«, wies Althalus ihn an.
Eliar begann herumzuhopsen.
»Genug!«
Eliar hörte zu hopsen auf.
»Leg beide Hände über den Kopf.«
»Warum tun wir das?« Der Junge hob die Hände.
»Wir wollen uns nur vergewissern, dass es klappt. Du kannst die Hände wieder herunternehmen. Ist dir jetzt irgendetwas Merkwürdiges aufgefallen? « »Ihr habt mir befohlen, Dinge zu tun, die irgendwie lächerlich waren«, antwortete Eliar. »Wenn sie dir lächerlich vorkamen, warum hast du sie dann getan?«
»Ich bin Söldner, Althalus. Ich tue immer, was mein Vorgesetzter mich heißt. Wenn er mir etwas Lächerliches befiehlt, ist er der Lächerliche, nicht ich.«
»Das nimmt dem Ganzen eine Menge Spaß, nicht wahr, Em?«, sagte Althalus laut. »Hat der Dolch Eliar gezwungen herumzuhopsen oder war das nur seine Ausbildung? «
Eliar blickte Emmy überrascht an. »Wie ist Eure Katze von Andine weggekommen? «
»Sie kennt ein paar Tricks und Schliche.«
»Andine wird sehr wütend sein. Vielleicht sollten wir rasch verschwinden - gleich nach dem Frühstück.« »Bist du hungrig?« »Ich bin immer hungrig, Althalus.« »Warum frühstücken wir dann nicht?« Althalus hielt dem Jungen
den Dolch entgegen. »Da, du bist dazu bestimmt, ihn zu tragen. Steck ihn irgendwo unter deinen Gürtel und verlier ihn nicht.«
Eliar legte die Hände in den Nacken. »Ich will Euch nicht verheimlichen, dass ich Euch vergangene Nacht umbringen wollte, ehe wir uns näher kennen lernten. Das solltet Ihr vielleicht bedenken, bevor Ihr mir den Dolch so einfach zurückgebt.«
»Du wirst doch jetzt nicht versuchen, mich umzubringen, oder?«
»Nein. Jetzt nicht.«
»Warum nicht? «
»Weil Ihr es nun seid, der die Befehle gibt. Durch Eure Abmachung mit Häuptling Albron seid Ihr so etwas wie mein Sergeant. Ein guter Soldat versucht nie, seinen Sergeanten zu töten.« »Dann habe ich ja nichts zu befürchten. Nimm den Dolch, Eliar, und wir frühstücken.« »Eine wundervolle Idee!«, sagte Eliar
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