Althalus
fort und gab erst auf, als er sic h in jedem Gemach, jeder Kammer gründlichst umgesehen hatte. Im ganzen Haus gab es nichts, das des Stehlens wert gewesen wäre. Verärgert zog Althalus sich zurück.
Er hatte immer noch ein bisschen Geld im Säckel, und so blieb er ein paar weitere Tage in Kanthon. Purer Zufall führte ihn in eine Taverne - wie man die Schenken hier nannte -, die von Handwer kern besucht wurde. Met gab es hier nicht, wie offenbar auch sonst nirgends in diesen Breiten. So musste Althalus sich wieder mit saurem Wein begnügen. Er blickte sich in der Gaststube um. Handwerker zählten zu den Leuten, die öfters Gelegenheit bekamen, sich in den Häusern der Reichen umzuschauen. »Vielleicht könnte einer der Herren mich aufklären«, wandte Althalus sich an die Anwesenden. »Ich musste mich vor ein paar Tagen geschäftlich in das Haus eines Mannes namens Omeso begeben, doch kaum hatte ich's betreten, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Es gab Stühle dort, die nur drei Beine hatten und die Tische sahen alle so wacklig aus, als würde schon ein heftiger Nieser sie umwerfen.«
»Das ist die neueste Mode hier in Kanthon, Freund«, erklärte ihm ein mit Ton verschmierter Töpfer. »Ich kann keine guten Schalen oder Kannen oder Flaschen mehr verkaufen, weil die Reichen nur noch welche wollen, die angeschlagen oder rissig sind, oder bei denen der Henkel abgebrochen ist.«
»Wenn Ihr das für seltsam haltet«, warf ein Holzschnitzer ein, »müsstet Ihr Euch meine Werkstatt anschauen. Ich hatte sonst im mer einen Haufen beschädigter Möbelstücke, doch seit das neue Steuergesetz in Kraft ist, kann ich die guten Möbel nicht mal mehr verschenken. Dafür bezahlen die Reichen fast jede Summe für einen wackligen alten Stuhl und dergleichen.«
»Das verstehe ich nicht«, gestand Althalus.
»So schwierig ist das gar nicht, Fremder«, versuchte ein Bäcker es ihm zu erklären. »Unser alter Aryo, der einst die Geschicke des Staates lenkte, hat eine Steuer auf Brot erhoben. Jeder, der Brot aß, unterstützte die Regierung. Aber unser alter Aryo ist letztes Jahr gestorben, und sein Sohn, der nun auf dem Thron sitzt, hat merkwürdige Vorstellungen. Er ist ein sehr gebildeter junger Mann und seine Lehrer waren allesamt Philosophen mit ungewöhnlichen Ideen. Sie überzeugten ihn, dass eine Steuer auf Gewinn gerechter sei als eine Steuer auf Brot, weil die Armen das meiste Brot kauften, während die Reichen den meisten Gewinn machten.«
»Was hat das mit schäbigen Möbelstücken zu tun?« Althalus runzelte verwirrt die Stirn.
»Die Einrichtung ist nur Schau, Freund«, sagte ein Maurer, dessen Montur voller Mörtel war. »Unsere Reichen versuchen den Steuereintreibern weiszumachen, dass sie gar nichts besitzen. Die Ein treiber glauben ihnen natürlich nicht, und so führen sie kleine überraschende Durchsuchungen durch. Wenn ein Reicher in Kanthon so dumm ist, auch nur ein teures Möbelstück in seinem Haus zu behalten, schicken die Steuereintreiber Gehilfen zu ihm, die mit Brechstangen bewehrt sind und die Fußböden des Hauses aufreißen.«
»Die Fußböden? Warum die Fußböden?«
»Weil die Reichen ihr Geld dort am liebsten verstecken. Sie stemmen ein paar Fliesen hoch, graben ein Loch und kleiden es mit Ziegeln aus. In dem Loch verstecken sie dann das ganze Geld, das sie angeblich nicht haben, und legen die Bodenfliesen wieder darüber. Anfangs haben sie sich dabei so ungeschickt angestellt, dass es jedem Narren, der das Zimmer betrat, sofort auffiel. Mein Mörtel macht mich zum reichen Mann. Ich verdiene viel mehr als früher, als ich noch gemauert und verputzt habe. Vor kurzem erst musste ich mir ein eigenes Loch unter dem Fußboden graben, so viel Geld hab ich schon.«
»Warum geben die Reichen denn nicht Handwerkern den Auftrag, diese Löcher für sie anzulegen?«
»Oh, das haben sie anfangs getan, aber dann kamen die Steuereintreiber zu uns Handwerkern und boten uns Belohnungen, wenn wir verrieten, wo in der Stadt neue Fliesen gelegt worden waren.« Der Maurer lachte spöttisch. »Schließlich war es sozusagen unsere Bürgerpflicht, ihnen diese Auskunft zu geben, und die Belohnung war ordentlich. Alle Reichen von Kanthon sind nun gewissermaßen Maurerlehrlinge, doch seltsamerweise hat nicht einer meiner Auszubildenden einen bekannten Namen. Aus irgendeinem Grund nennen sie sich nach ehrlichen Handwerkern. Vermutlich haben sie Angst, dass ich sie an die Steuereintreiber verrate, würden sie mir
Weitere Kostenlose Bücher