Althars Wolkenhort
sich selbst. »Sie müssen starr sein wie Äste.«
»Ich weiß, was du jetzt vorhast«, warnte Nottr, »aber das ist nicht weniger gefährlich. Auch wenn sich die Stränge dicht über dem Boden nicht bewegen können, kann der rote Saft in alle Richtungen spritzen, Mythor!«
»Das Risiko müssen wir eingehen.«
Mythor fixierte erneut die massive Tür. Die Höhe vom Boden bis zum Torbogen schätzte er auf drei Schritt, die Breite auf zwei.
Er musste hindurch! In den Wolkenhort! Zum Helm der Gerechten!
Zu spät gewahrte er das Aufblitzen in Nottrs dunklen Augen. Ein Stoß traf ihn schwer in die Seite und ließ ihn einige Schritte taumeln. Bevor er sich fangen konnte, sah er Nottr breitbeinig vor den verdickten, verkrusteten Strangenden stehen, die so aus der Erde kamen, als habe sie jemand wie Pfähle hineingerammt, und sein Krummschwert schwingen.
»Nicht!« schrie Mythor. »Du hast keine Chance!«
»Bleib, wo du bist!«
Nottr holte weit aus und ließ das Schwert wie eine Sense schräg auf die Stränge hinabsausen. All seine Kraft lag in diesem Schlag. Nottrs Schwert traf den ersten Strang und sprang dem Lorvaner aus der Hand.
Es war so, als habe er mit aller Wucht gegen Stein geschlagen. Der eigene Schwung riss ihn mit. Nottr versuchte, zur Seite hin auszuweichen, was aber lediglich bewirkte, dass er sich halb um die eigene Achse drehte und mit dem Rücken gegen den Turm prallte.
Er schrie gellend auf und versuchte, sich von dem nachglühenden Material zu lösen, aber er schien festzukleben. Entsetzt sah Mythor, dass die dünneren roten Stränge sich zu bewegen begannen.
Sie zuckten und lösten sich von der Wand ab! Sie versuchten, sich über Nottrs Kopf zu schieben!
»Nein!« schrie Mythor und vergaß alle Vorsicht. In ohnmächtiger Wut stürmte er vorwärts. Das Gläserne Schwert blitzte in den Strahlen der tiefstehenden Sonne auf. Feines Singen erfüllte die Luft.
Mythor ließ die Klinge neben Nottrs strampelnden Füßen knapp über dem Boden gegen die Strangenden sausen. Mit solcher Kraft führte er den Schlag, dass es ihm fast wie Nottr die Waffe aus der Hand gerissen hätte, und doch konnte er den Strang diesmal nicht mit einem Schlag durchtrennen.
Aber Alton hatte die Kruste durchschnitten. Dickflüssig quoll die rote Flüssigkeit aus der Kerbe hervor, die er geschlagen hatte. Einige der Stränge, die Nottr hielten, begannen zu zucken.
»Sie blutet!« rief Mythor. »Halte aus, Nottr! Die Kreatur wird sterben!«
Kreatur - Mythor bezweifelte plötzlich, es mit Pflanzen zu tun zu haben. Er machte sich keine langen Gedanken. Wieder holte er aus, und wieder schlug Alton eine tiefe Kerbe in den Strang.
Mit dem dritten Schlag durchtrennte er ihn. Die rote Flüssigkeit quoll sprudelnd und Blasen werfend aus dem Stumpf am Boden, lief daran herab und sickerte in die Erde ein. Dort bildeten sich Dämpfe, aber diesmal wesentlich schwächer als unten im Wald. Drei der dünneren Stränge, an denen Nottr festklebte, begann zu zittern, und jener, der sich um den Kopf des Lorvaners schieben wollte, löste sich vorn Turm ab, peitschte einen Augenblick durch die Luft und erschlaffte.
»Jetzt komm, Nottr!«
Der Lorvaner atmete tief durch. Dann machte er einen Riesensatz vom Turm weg. Nichts hielt ihn fest. Die Stränge, die ihn gehalten hatten, kräuselten sich und rollten sich zusammen.
Doch noch spannten sich Dutzende von ihnen, die zu anderen aus dem Boden kommenden Muttersträngen gehörten, über das Tor.
»Wir schaffen es!« rief Mythor. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er Kalathee und Sadagar, die es nicht mehr bei den Felsen gehalten hatte. Der Steinmann litt darunter, dass er nichts tun konnte, um Mythor zu helfen. Und die Blicke, die Kalathee Mythor zuwarf, sprachen Bände. In ihren Augen standen Tränen.
»Keine Angst!« rief Mythor. »Nottr, du kannst die toten Stränge herunterreißen.«
Wieder war Alton in der Luft. Der nächste Strang. Diesmal schaffte es Mythor mit zwei Schlägen, ihn zu durchtrennen. Sprudelnd quoll die rote Flüssigkeit aus dem Stumpf hervor und lief zischend in den Boden.
»Hier wird in den nächsten Jahren kein Kraut mehr wachsen!«
Mythor schlug zu wie ein Berserker. Er wütete so mit dem Gläsernen Schwert, dass Nottr zwei Schritte zurücktrat. Innerhalb kürzester Zeit waren alle Stränge dicht über dem Boden abgeschnitten. Die dünneren roten Stränge über dem Tor peitschten durch die Luft, kräuselten sich, rollten sich auf und wurden schwarz.
Mythor steckte
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