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Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Plotek musste sie nur anschauen, und die Wirtin hat die Worte nicht mehr in sich halten können.
    »Gehen Sie gleich hinüber!«, hat sie gesagt und aus dem Fenster gezeigt, die Straße hinauf. »Oben dann auf der rechten Seite, da ist gleich die Apotheke von der Frau Winkelmann, gehen Sie zur Frau Winkelmann, na ja, die ist im Prinzip mit Vorsicht zu genießen, aber auf ihrem Gebiet ist sie eine . . . eine . . . eine Dings.«
    Der Wirtin fiel jetzt das Wort nicht ein. Sie hat sich aber gar nicht lange damit aufgehalten, sondern gleich andere Worte gefunden und mit denen weiter auf Plotek eingeredet.
    »Gehen Sie ruhig gleich zur Frau Winkelmann, die gibt ihnen dann was, und Sie werden sehen, Herr Plotek, sofort wird es besser werden, also wissen Sie, die Schwester meiner Tante, na ja, die ist mittlerweile auch schon tot, aber ich sage Ihnen, die hatte ihr Lebtag lang eine Migräne in ihrem Kopf, dass alle Ärzte sie längst schon aufgegeben hatten, alles hat sie versucht, sogar Akupunktur und alles, und nur die Frau Winkelmann hat ihr noch helfen können, mit ihrem . . . ihrem . . . ihrem Dings.«
    Der Wirtin ist schon wieder das richtige Wort nicht eingefallen. Aber noch bevor sie andere gefunden hatte, war Plotek schon draußen, obwohl es gar nicht so einfach war, mit einem Kopf so schwer wie ein Panzerschrank durch die schmale Gaststubentür zu kommen.
    Auch am Tillyplatz hing der Sauerkrautgeruch, zumindest glaubte Plotek ab jetzt, überall Sauerkraut zu riechen. Auch in der Engel-Apotheke, die er dann sofort auf direktem Wege wegen seinen Kopfschmerzen aufgesucht hat. Frau Winkelmann, Typ Clementine, erkannte ihn sofort. Offenbar hatte sich seine Ankunft in Altötting lauffeuerartig herumgesprochen. Noch bevor Plotek etwas sagen konnte, legte sie schon los.
    »Mooorgen, Heeer Ploteeek!«, hing der Gruß jetzt zwischen Plotek und Frau Winkelmann wie der Sauerkrautgeruch in der Luft, brach sich mehrmals an der rustikalen Apothekeneinrichtung und löste zwischen Ploteks Synapsen eine Welle von Stichen, Explosionen und Detonationen aus.
    Ein schmerzverzerrtes »Aspirin, bitte!« war die Folge.
    »Oh, oh, das sieht ja gar nicht gut aus«, hat die Apothekerin teilnahmsvoll erwidert und Ploteks Blick gespiegelt, als ob auch sie seine Schmerzen empfinden müsste.
    »Warten Sie, da hab ich etwas ganz Besonderes für Sie. Es dauert nicht lange. Das mix ich Ihnen!«, hat Frau Winkelmann gesagt und sofort den Worten der Wirtin entsprochen.
    Und schon ging’s los mit Mörser, Tiegel, Waage und Schaufellöffel. Dazwischen versuchte sie sich immer wieder in Konversation. Sie überschwemmte Plotek mit einem Ausdruck von Freude, Erleichterung und ja, auch Dankbarkeit über seine Judasübernahme.
    »Wir hatten schon alle gedacht, dass jetzt nach Granz’ Ausscheiden das Ende gekommen wäre. Aber der Arno hat das sehr gut hingekriegt. Weil nach dem Unfall vom Granz, hat ja niemand mehr den Judas spielen wollen. Dass Sie sich jetzt dazu bereit erklärt haben, alle Achtung! Respekt.«
    Plotek hat geschaut, dass der Apothekerin gar nichts anderes übrig geblieben ist, als das Gesagte zu konkretisieren. Sein Gesicht strahlte bei solchen Gelegenheiten nichts als Leere aus, es war ein unendlich weites, schwarzes Loch mit zwei Augen. Und alles wegen den Schmerzen. Plotek kann am ehesten so schauen, wenn er Schmerzen hat. Wenn er rasendes Schädelweh hat. Bei solchen Gelegenheiten sieht Plotek dann immer aus wie ein trockener Schwamm, ausdruckslos, durchlöchert und leer. Ein Schwamm, der scheinbar kein größeres Bedürfnis kennt, als angefüllt zu werden. Manch ein Theaterkritiker hat schon geschrieben, Plotek und sein Spiel erinnere an einen Debilen, vor allem vom Gesichtsausdruck her. Der Kritiker hat das damals als Kompliment vermittelt, und es passte damals auch beim Leonce, Büchner. Es ist eben immer eine Frage der Rolle. Jetzt glotzte Plotek also wieder wie eine Kuh am Elektrozaun. Die Apothekerin hat einfach weitererzählt.
    »Das mit dem Granz war ja ein ganz seltsamer Unfall, also so was! Ich sage Ihnen. . . Ich weiß nicht. Der Granz war zwanzig Jahre lang Milchfahrer und nichts ist passiert. Und dann ist er von der Straße abgekommen, einfach so. Wo es hinübergeht nach Reischach und da dann auf der Höhe von Herzöd hinunter, ja, da ist es schon steil. Und es geht auch eng her auf dem Landwirtschaftsweg. Aber der Granz hat doch Erfahrung gehabt. Jeden Tag ist er da hinübergefahren, hinauf und hinunter. Und dann fährt er

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