Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
Vom Netzwerk:
gedacht. Aber egal.
    »Und den Granz und den Zeiler hat’s auch schon erwischt«, erzählte der Doktor weiter und versuchte sich nebenbei in einer Diagnose für Ploteks permanentes Schädelweh.
    »Psychisch! Alles psychisch, Herr Plotek!«
    Plotek war unklar, ob der Doktor jetzt noch immer ihn oder schon wieder den Granz und den Zeiler meinte. Dann hat Kainz eine Spritze aufgezogen und »Das haben wir gleich« gesagt. Plotek wollte gar nicht wissen, was drin war. Hauptsache, es hilft.
    »Wissen Sie, Herr Plotek, jetzt glauben selbst die Kriminalen nicht mehr an einen Zufall. Lang genug hat’s gedauert. Die ist ja völlig unfähig, die Mühldorfer Polizei, weil Sie müssen wissen, Herr Plotek, Altötting hat keine eigene, also Kriminalpolizei. Deshalb müssen die Affen aus Mühldorf ran. Und das sind völlige Dilettanten. Wenn ich so arbeiten würde, wären alle meine Patienten bereits tot. Das wäre, als würde ich permanent Fehldiagnosen erstellen. Und Krankheiten suchen, wo gar keine sind. Zwischenzeitlich breitet sich das Virus woanders umso stärker aus. Also, drei Tote und ein Verletzter in sechs Wochen ist eine stolze Bilanz, nicht wahr, Herr Plotek? Na ja, jetzt werden wenigstens die anderen Judas-Toten noch einmal untersucht. Sie wissen schon, Exhumierung. Ist ja aber auch das Mindeste. Ob da jetzt was dabei rauskommt, weiß ich nicht. Zunächst hat sich ja niemand ernstlich Gedanken gemacht. Ja, ja, es kann ja mal Vorkommen, dass so ein Milchfahrer von der Straße abkommt. Beim Granz ist das zwar unwahrscheinlich, aber warum nicht, Herr Plotek. Hat man ja schon hunderttausendmal im Fernsehen gesehen, also warum nicht auch hier.
    Aber beim Zeiler? Beim Zimmermann Zeiler? Also, ich weiß nicht, da ist es schon doppelt seltsam. Ich bitte Sie, Herr Plotek, dass der Zeiler so mir nichts, dir nichts einfach vom Dach fallen soll, ist schon unwahrscheinlich. So ein erfahrener Mann. Seit was weiß ich wie langer Zeit war der Zimmermann. Sogar Zimmermannmeister. Schwindelfrei und auf allen Dächern, auch noch so hoch, war der zu Hause. Und dann ist der einfach vom Giebel gefallen, kurz vor dem Richtfest, und war mausetot. Ist der einfach heruntergefallen und direkt in das Absperrgitter hinein. Und fragen Sie nicht, Herr Plotek, was das mit dem Zeiler gemacht hat. Grauenvoll. Sie kennen ja bestimmt die Absperrgitter mit den Zacken oben drauf. Richtiggehend aufgespießt haben die den Zeiler. Vier Mann von der Feuerwehr hat es gebraucht, um ihn da wieder herauszuziehen.«
    »Aua!«, schrie Plotek kurz auf, weil die Spritze jetzt ziemlich gepiekst hat. Aber sofort haben die Kopfschmerzen, na ja, nach ein, zwei Minuten eben, weniger geklopft. Dafür war wieder ein leichtes Magengrummeln zu spüren, wegen der Erzählung vom Doktor.
    »Na ja, Herr Plotek« – immer hat der Doktor »Herr Plotek« zu Plotek gesagt, ständig, als wollte er sich einschmeicheln oder dergleichen. Das hat Plotek ziemlich geärgert. Wenn schon Plotek, dann ohne Herr. Am besten aber auch ohne Plotek. Weil Plotek ein großes Namensproblem hatte. Und wieder und noch einmal: »Na ja, Herr Plotek, dass der in das Gitter fällt, der Zeiler, das war Pech, der wäre aber auch so tot gewesen, weil man fällt nicht zehn Meter vom Dach und verstaucht sich bloß den Fuß. Viel kurioser war aber, dass der Zeiler im Absperrgitter sein Handy fest umklammert in der Hand gehalten hat, als wollte er es nie mehr loslassen. Sein Handy hat der Zeiler immer dabeigehabt. Auch auf den Dächern. Der Zeiler war also immer und überall erreichbar. Das Display in der Hand vom toten Zeiler hat auch noch geleuchtet. Ich schwör’s, Herr Plotek. Das hat der Polier zu Protokoll gegeben. Höchstwahrscheinlich hat der Zeiler vor dem Tod, oder besser bis zum Tod, noch telefoniert. Die Zyniker haben gesagt, der Zeiler hat sich zu Tode telefoniert. Klingt makaber jetzt, aber vielleicht ist da ja was Wahres dran. Ja, der Tod kam durch’s Telefon. Es hätte auch die Möglichkeit bestanden, dass der Zeiler selbst jemanden angerufen hat. Das könnte man denken, aber falsch gedacht. Wegen der Wiederwahltaste. Die letzte gespeicherte Nummer war seine eigene zu Hause. Seine Frau hat zwei Stunden vorher das letzte Mal mit dem Zeiler telefoniert. Also muss er doch angerufen worden sein, so viel steht fest, Herr Plotek. Bloß von wem, das ist die Frage.«
    Die Spritze wirkte, und Plotek spürte fast nichts mehr vom Klopfen im Kopf. Dafür empfand er eine immer größere Abneigung gegen den

Weitere Kostenlose Bücher