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Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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sollte. Wer hatte ein Interesse daran, dass das 1. Altöttinger Passionsspiel nicht über die Bühne ging? Da musste man nicht lange überlegen: Oberammergau! Das war klar. Aber Oberammergau, das sind immerhin über 5000 Einwohner. Das waren dann doch ein bisschen viele Tatverdächtige auf einmal. Zu viele. Um die alle zu überprüfen, zu verhören und die Alibis abzugleichen, wäre die notorisch unterbesetzte Mühldorfer Kriminalpolizei bis zum Jahresende noch nicht fertig gewesen. Und bis dahin war es immerhin noch fast ein Dreivierteljahr. In dieser Zeit werden nicht nur Kinder geboren, sondern auch unzählige weitere Morde begangen. Aber dennoch gab es für die Oberammergauer als Drahtzieher schon Hinweise, sogar erdrückende Querverweise. Ja, weil nachdem die Oberammergauer den Altöttingern einen Korb bezüglich der Oberammergauer Passionsspiele verpasst hatten und die Altöttinger auf eigene Faust operierten, versuchten die Oberammergauer natürlich alles, die Altöttinger davon abzuhalten. Sie versuchten, ihnen Steine in den Weg zu werfen. Das fing bei der dramatisierten Fassung der Passionsgeschichte schon an. Zuerst wollten die Altöttinger die Oberammergauer Fassung verwenden. Aber nichts da! Die haben die Oberammergauer nicht rausgerückt. Also hat Niederbühler eben eine eigene verfasst. Vor allem dem Oberammergauer Bürgermeister war das Altöttinger Passionsvorhaben ein Dorn im Auge. Der Oberammergauer Bürgermeister war auch noch pikanterweise ein Halbbruder des Altöttinger Fremdenverkehrsdirektors Zeller, und einer alten Geschichte zufolge konnte er den Halbbruder ums Verrecken nicht ausstehen. Wegen einer lang zurückliegenden Frauengeschichte. Der Fremdenverkehrsdirektor Zeller hatte dem Halbbruder die damalige Freundin ausgespannt. Und mehr noch, er nahm sie sogar gleich zur Frau. Das hat der Bürgermeister von Oberammergau dem Fremdenverkehrsdirektor von Altötting nie verziehen. Mit der Zeit renkte sich das Verhältnis zwischen den Halbgeschwistern zwar wieder ein, aber unterschwellig lag noch einiges im Argen. Durch die Sache mit den Passionsspielen war der Konflikt wieder aufgebrochen. Seither wechselten die beiden kein Wort mehr miteinander. Der Bürgermeister von Oberammergau versuchte dann auf juristischem Wege, die Altöttinger Passionsspiele verbieten zu lassen. Das Verfahren war aber noch nicht abgeschlossen und alles unklar. Und dennoch lag darin ein großes Konfliktpotenzial. Ob aber der Bürgermeister fähig ist, gleich zu einem solch drastischen Mittel zu greifen? Man weiß es nicht. Und die Mühldorfer Kriminalpolizei wusste es noch viel weniger. Es wurde zumindest geprüft, weil: Fanatismus ist unberechenbar. Der Fanatismus hat andere Gesetze. Der Fanatismus macht Unmögliches erst wahrscheinlich.
    Während das Laienspielensemble auf dem Bruder-Konrad-Platz vor der Basilika probte, saß Plotek im Lesesaal des Klosters und sah sich die Videoaufzeichnung von einer der letzten Proben mit Mengele als Jesus an. Hin und wieder ist Frau Gaby Mand um ihn herumgeschwänzelt. Sie hat da mal eine Tasse Kaffee hingestellt, dort mal Knabbereien, Chips und alles herbeigeschafft. Sie wollte sich eben auch nützlich machen, die Vorsitzende vom Altöttinger Passionsspielverein e.V. Obwohl sie Plotek eher störte. Am meisten störte ihn aber ihr aufdringliches Parfüm. So ein billiges Parfüm, das wenig kostet, dafür umso penetranter riecht. Richtiggehend schlecht ist es Plotek beim Videoschauen geworden. Und gebracht hat es auch nicht viel. Bringen sollen hätte die Videoaufzeichnung vor allem Orientierung auf der Bühne. Gänge, Handlung und Ablauf hätten so Plotek vermittelt werden sollen. Na ja, Videoaufzeichnung, sagt man so. Mit Video hatte das, was Plotek da vorgespielt wurde, wenig zu tun. Es waren zwar bewegte Bilder, aber in hundertprozentiger Teneriffa-Urlaubsqualität. Was so viel bedeutet wie, meistens ist nur das auf dem Band, was völlig unwichtig ist. Das kennt man zur Genüge aus der eigenen Erfahrung und den Videoabenden zu Hause nach dem Urlaub. Der Vater filmt die Kinder beim Spielen im Sand und die Frau beim Bräunen im Sonnenstuhl. Es ist aber nicht die eigene Familie, die zu Hause über den Bildschirm flimmert, sondern völlig fremde Menschen beim Spielen und Bräunen. Warum? Tücke der Technik, zu viele Knöpfe und kein Durchblick. Und alles auch noch unscharf, total verwackelt, ohne Ton und alles. Quasi Katastrophe. Und genauso war auch das Probenvideo. Davon mal

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