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Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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sollte oder worum damit gebeten, vielleicht auch gedankt wurde, war Plotek unklar. Nichtsdestotrotz war es hochinteressant. Eine gewisse Neugier konnte Plotek nicht verbergen. Er ist auf Etappen rein in die Gnaden-Kapelle – und war noch mehr beeindruckt. Zuerst stand er in der äußeren Kapelle. Das war ein rechteckiger Bau. Es herrschte geheimnisvolles Dämmerlicht, von dem schwarzen Stuckmarmor an den Wänden noch betont. Dann ist er durch das kleine romanische Portal ins gold und silber strahlende Oktogon vorgedrungen. Da stand in der Altarnische das Bild der Muttergottes. Das Angesicht schwarz. Irgendwie gruselig, hat Plotek gedacht, und dann war ihm noch gruseliger zumute, als er die silbernen Urnen in den Wandnischen gegenüber vom Gnadenbild entdeckte. Herzen! Nein, nicht sinnbildlich, konkret und ganz real! Ja, Herzen lagen in den Urnen. Aber nicht irgendwelche Herzen, sondern von ungefähr dreißig hochstehenden Persönlichkeiten. Bayerische Herrscher und andere Fürsten aus dem Hause Wittelsbach haben ihre Herzen der Muttergottes von Altötting hinterlassen. Also, König Ludwig II., Maximilian I. und alle. Da hat es Plotek richtig geschauert, mit Nackenhärchen, Gänsehaut und allem. Außerdem lagen drei vollständige Leichname unter dem Pflasterboden. Plotek ist quasi auf einer Fürstlichkeit gestanden, mit seinen alten ausgelatschten Mokassins. Da fingen ihm dann plötzlich die Knie an zu zittern, als ob die Fürstlichkeit an die Schuhsohle klopfen würde. Beinahe hätte Plotek sein prophylaktisches »Herein!« sagen wollen, ließ es aber dann doch sein. Dafür lief er schnellstmöglich wieder nach draußen, mit dem Vorsatz, die Gnaden-Kapelle nie mehr zu betreten. Aber Irrtum, einmal hat er noch hineinmüssen, und zwar viel früher als gedacht. Aber bis dahin ist noch so allerhand passiert.
    Als Plotek im Hotel war, durfte er eine noch viel größere Überraschung als die Votivtafeln und den Grabstein erleben. Altötting war offenbar wie ein Weihnachtsbaum mit ungeliebten Geschenken und fürstlichen Leichen darunter. Das Zimmer von Plotek war voll mit Männern. Nicht irgendwelchen Männern, sondern ganz speziellen. Männern in Uniformen und Männern ohne Uniformen. Es waren Polizisten der Altöttinger Polizei und Beamte der Mühldorfer Kriminalpolizei. Die Kriminalen waren gerade dabei, das Hotelzimmer auf den Kopf zu stellen. Was die suchten, war klar.
    »Wo haben Sie das Hemd versteckt?«, fragte der Oberkriminale.
    Plotek hat auf ahnungslos gemacht und auf ein wenig Empörung. Alles gespielt natürlich, weil das Hemd in der Plastiktüte hinter der Buchsbaumhecke gut aufgehoben war.
    »Was für ’n Hemd? Warum soll ich ’n Hemd verstecken? Wie kommen Sie auf mich?«, knallte es wie Pistolenschüsse aus Ploteks Mund.
    »Anzeige!«, kam verunsichert zurück.
    »Von wem?«
    »Anonym!«
    Plotek ist sich vorgekommen wie im Fernsehen. Wie im Abendprogramm, im Krimi. Tatort, Siska. Da finden auch Durchsuchungen statt und werden Verdächtige verhaftet, obwohl es keine rechtliche Handhabe gibt. Also Fehler der Dramaturgie oder besser, wo keine ist, kann sich auch keine irren. Im Fernsehen ist das gang und gäbe. Anderes Beispiel: Ein Telefon klingelt, einer geht hin, der andere legt auf, im Hörer macht es »tut, tut, tut«. In Wirklichkeit ist das völlig unmöglich, also macht da nichts »tututut«, sondern die Leitung ist mausetot, nichts zu hören, still, kein einziges »Tut«.
    Nachdem das Hotelzimmer komplett auf den Kopf gestellt worden war, hatten sie noch immer nichts Verdächtiges gefunden. Und suchten immer weiter. Je länger die Kriminalen gesucht und nichts gefunden haben, umso kleiner sind sie geworden, zuletzt fingerhutklein. Bildlich jetzt. Und geschämt haben sie sich. Und peinlich ist es ihnen gewesen.
    »Tut uns jetzt furchtbar. . . ich weiß jetzt auch nicht, Herr Plotek . . . Aber der Hinweis . . . und . . . also . . . war wirklich kein Zweifel. . . obwohl. . . Natürlich hätten wir’s wissen müssen, jaja . . . Sie und . . . ach was . . . eigentlich ausgeschlossen . . . aber so wird man hinter’s Licht geführt. . . jaja, und so lässt man sich hinter’s Licht führen . . . da muss man sich schon auch an die eigene Nase . . . also . . . nochmals vielmals . . . also, entschuldigen Sie . . . aber das soll nicht mehr. . .«, haben die Kriminalen sich um Kopf und Kragen geredet. Plotek schwieg und schaute wieder nur, diesmal wie ein ganz borstiger Schwamm, und dachte: Auslaufen lassen,

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