Altoetting
wollte endlich Erfolge sehen. Also war ein Durchsuchungsbefehl ohne Weiteres zu bekommen gewesen. Was man bekommt, nimmt man auch. Deswegen nicht nur Durchsuchung des Hotelzimmers von Plotek, sondern auch Hausdurchsuchung beim Sparkassendirektor Mengele. Der schaltete natürlich sofort den Anwalt ein und alles. Aber es hat nichts genützt. Die Mühldorfer Kriminalpolizei griff nach jedem Strohhalm. Und Überraschung – der Strohhalm war ein ganzer Baum mit exakt 57000 echten Blüten dran. Im Wäscheschrank, bei den Socken und Unterhosen, wurden in einer Pennymarkt-Tüte 57000 Mark gefunden. Jetzt war Mengele natürlich in Erklärungsnot. Trotz Anwalt war das jetzt eine saumäßige Situation. Also hat er ein Geständnis abgelegt. Aber: Wer einmal lügt, dem glaubt man kein zweites Mal. Altes Sprichwort. Zumindest nicht die hypersensibilisierten Mühldorfer Kriminalisten. Jetzt hatten sie schon mal einen Erfolg, also musste der für alles andere auch herhalten. Mengele gab also zu, dass bei dem Banküberfall nicht eine einzig Mark erbeutet wurde. Weg war das Geld aber trotzdem. Also? Genau, der Sparkassendirektor Mengele hat sich gedacht, ein Bankraub ohne Raub ist kein Bankraub. Außerdem: 57000 haben oder nicht haben. Da hat er sie eben genommen, weil die Bank ohnehin versichert ist. Soll heißen, der Schaden der Bank ist geringer als sein Gewinn. Sollte der Bankräuber dann tatsächlich gefasst werden, hatte Mengele gedacht, ist es auch egal. Weil ein Sparkassendirektor allemal glaubhafter ist. Irrtum! Dem Sparkassendirektor Mengele wurde nämlich gar nichts mehr geglaubt. Nicht einmal mehr der Bankraub. Nach der Version der Mühldorfer Kriminalpolizei gab es überhaupt keinen Bankraub. Alles war vorgetäuscht.
»Und der Schlüsselbeinbruch? Die gerissenen Bänder?«, fragte Mengeles Anwalt.
»Selbst zugefügt!«, hat der Oberkriminale geantwortet.
»Das ist doch Wahnsinn!«, war das Einzige, was Mengele noch über die Lippen brachte. Dann Schweigen. Aussageverweigerung.
»Bestimmt hat der Mengele auch was mit dem Mutschler und dessen Tod zu tun«, hat die Wirtin gesagt und von der Zeitung aufgeschaut, »weil, wenn Sie mich fragen, Herr Plotek, war Mengele noch nie ganz koscher. Na ja, aber unsereins fragt ohnehin niemand.«
Auch Plotek hat sie nicht gefragt. Die Wirtin redete aber trotzdem weiter.
»So kann man sich täuschen in den Menschen!«, hat sie gesagt und Plotek angeschaut, als ob sie in ihrer Einschätzung ihm gegenüber auch nicht mehr hundertprozentig sicher wäre. Plotek zuckte mit den Schultern. Die Wirtin schaute wieder auf den Artikel, als wollte sie ihn noch einmal lesen.
»Na ja, die 57000! Seien wir doch mal ehrlich, wenn sich die Möglichkeit ergeben würde? Na? Sehen Sie! Warum nicht? Aber irgendetwas mit dem Mord? Der Mengele? Tja, das hätte ich nicht gedacht, na ja, geahnt vielleicht und im Innersten drinnen sogar geglaubt. Aber das mit dem Glauben ist ja so eine Sache. Mit Glauben kann man eben nichts beweisen. So kann man sich täuschen. Wie beim Fremdenverkehrsdirektor Zeller. Obwohl der ja ein einwandfreies Alibi hat. Von der Jeanette und der Froni. Der ist sicher nicht mehr lange festzuhalten. Eigentlich ist es eine Schande, dass er überhaupt sitzt, wo die beiden Töchter doch alles bestätigt haben. Aber die Kriminalen reizen halt den gesetzlichen Rahmen bis zum Äußersten aus. Na ja, auf jeden Fall drei Tote, ein Bankraub und zwei hinter Gittern. Was will man mehr?«
In der Frage der Wirtin steckte schon auch ein wenig Sarkasmus.
Neben der Mühldorfer Kriminalpolizei war vor allem noch ein anderer höchst erfreut über die Entwicklung im Sparkassenraub. Arno natürlich. Denn wenn es keinen Bankraub gegeben hatte, fiel auch kein Verdacht auf ihn. Na ja, das hätte er selbstverständlich nie zugegeben. Aber eine gewisse Erleichterung konnte er nicht verheimlichen. Dafür war er einfach ein zu schlechter Schauspieler.
Als Plotek so neben der Wirtin von der Eintracht saß und beide noch immer den Blick im Alt-Neuöttinger Anzeiger spazieren führten, hat Plotek nicht nur einen leichten Druck unter der Schädeldecke gespürt, sondern auch gemerkt, wie er an gar nichts anderes mehr denken konnte als an Granz und Annegret, Zeiler und Zeller, Mutschler und Mengele und daran, wie das alles miteinander Zusammenhängen könnte. Eine Lösung fiel Plotek allerdings nicht ein, dafür wieder die Computertomographie, der Neurologe und Doktor Kainz, die Maria Magdalena und die Zeller
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