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Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Fahrkünsten, keine Ahnung. Auf jeden Fall hat Brunner mächtig gelitten.
    »Verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Brunner, das hat jetzt gar nichts mit den Passionsspielen zu tun, sondern ist rein persönlich«, legte Plotek nach. »Also, das war schon immer ein Schwachpunkt von mir, Versagensängste. Ja, deshalb hab ich ja auch die ganze Schauspielerei an den Nagel gehängt, müssen Sie wissen, und wenn Ihr Sohn nicht gewesen wäre, würde die da noch immer hängen. Im Übrigen war das ganz früher mit der Kickerei auch nicht anders.«
    Natürlich war das alles nichts als konstruierte Realität, weil das Ende der Fußballkarriere von Plotek kam nicht wegen den Versagensängsten, sondern wegen dem Trecker und dem doppelten Knochenbruch. Aber egal. Plotek bemerkte sofort die Reaktion von Brunner. Ob wegen dem Fußball, weil das auch Brunners Steckenpferd war, keine Ahnung. Auf jeden Fall hat sich Brunner auf dem Beifahrersitz wieder etwas aufgerichtet und erneut »Kupplung!« gesagt, aber dieses Mal mit einem ganz anderen Ton, weniger säuerlich, eher verständnisvoll. Plotek vergaß wegen der ganzen Geschichte und der Konzentration darauf tatsächlich ständig das Schalten. Jetzt also wieder Kupplung. Und Brunner hat den Vierten eingelegt.
    »Damals, müssen Sie wissen, ist mir eine große Fußballerkarriere vorausgesagt worden. 1978 war das. Da war das fußballerische Feld für mich bestellt, und das Tor stand sperrangelweit offen. Da hätte ich nur noch hineinschießen müssen, Herr Brunner. Aber dann, tja, dann kam die Schmach von Cordoba!«
    »Das war 82!«, hat Brunner aufgepasst.
    »Stimmt schon, die deutsche Niederlage gegen Österreich war 1982.«
    »Hat dieser Sau-Krankl das Ding ins Netz gedroschen!«, ging Brunner dazwischen, weil der Fußballvirus jetzt aktiv war.
    »3:2 – und der deutsche Fußball zerstört am Boden.«
    »Schon, schon, aber der hat sich auch wieder erholt, Herr Plotek. Sie wissen ja, 1990 Weltmeister, 1996 Europameister. . .«
    »Jaja, aber das hat gedauert, Herr Brunner, das hat verdammt lang gedauert. Wie bei jeder Schmach. National vielleicht nicht ganz so lang, aber persönlich, persönlich sitzt so eine Schmach am tiefsten. Wie bei mir 1978. Das war mein persönliches Waterloo. Damals hatte ich zwei Jugendnationalmannschaftseinsätze in Argentinien, auf der Südamerika-Freundschaftsspielreise, in Cordoba. Zwei Chancen hab ich gehabt und beide hab ich nicht nutzen können. Im Gegenteil, Herr Brunner, kläglich versagt habe ich. Und bis heute ist das ein Trauma für mich, bis heute hab ich mich davon nicht erholt.«
    Jetzt hielt Plotek kurz inne und schaute, ob der Groschen bei Brunner gefallen war – aber vergiss es. Also hat sich Plotek noch weiter aus dem Fenster gelehnt. Nein, nicht real natürlich, im übertragenen Sinne vielmehr. Plotek erzählte weiter und knüpfte die Schlinge noch enger.
    »Das wird bei Ihnen auch nicht anders sein, Herr Brunner, persönlich nicht und als Erster Bürgermeister von Altötting erst recht nicht, öder?«
    Brunner nickte im Augenwinkel von Plotek, während der Mercedes im vierten Gang zum dritten Mal den Inneren Ring abfuhr. Dann sagte Plotek mit geknickter Stimme: »Na ja, ich glaub, Sie verstehen mich nicht, Herr Brunner« und versuchte, Brunner aus der Reserve zu locken. Und: Es glückte. Brunner antwortete postwendend:
    »Doch, doch, gut verstehe ich Sie. Solche persönlichen Rückschläge kommen schon mal vor.«
    »Wann?«
    »Wie . . . äh . . . wann?«
    »Bei Ihnen?«
    »Ja . . . also . . . ich . . . ich . . . äh . . . weiß jetzt nicht. . . lassen Sie mich mal nachdenken . . . also . . . äh . . . als, als, als der Arno . . . ja . . . der Abgang von der Schauspielschule . . .«
    »Und für Altötting?«
    »Eindeutig die Bürgermorde im April 1945 • • •« – wie aus der Pistole geschossen.
    »Und danach?«
    »Danach? Hm . . . tja . . . lassen Sie mich nach . . . tja . . . eigentlich, ja eigentlich fällt mir da jetzt nichts mehr ein.«
    »Komisch, ich dachte, grad in so einer religiösen Stadt sind vielleicht Sünden und Sündenvergebung an der Tagesordnung, ja. . . also, ich meine jetzt Todsünden, Skandale und all so was?«, hat Plotek sich vorsichtig herangetastet und mit gekünsteltem Lachen entschärft. Brunner lachte sofort mit, so laut, dass Plotek ganz erschrocken ist. Vor Schreck gab er zu viel Gas, das Auto ruckelte, beruhigte sich aber wieder, und Plotek hakte nach:
    »Na ja, so eine Todsünde hat man ja schnell am

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