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Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Leitung.
    »Na ja, ist ja sicher kein Einzelfall gewesen, also nicht weiter schlimm, hätte man denken sollen. Aber warum die Annegret gerade mit diesem Klosterpater was angefangen hat? Ich weiß es nicht. Also wenn Sie mich fragen, war der überhaupt nicht attraktiv. Im Gegenteil. Man kennt das ja, aber das ist auch wieder nur ein Klischee, Dornenvögel, Chamberlain, Ward und so. Vergiss es! Aber nun war’s eben mal passiert. Also, austragen. Irgendwie wäre es dann schon weitergegangen. Ist es nicht. Kaum war das Kind da, hat die Annegret sich umgebracht. Und das Kind, werden Sie sich jetzt bestimmt fragen?«
    Vom Plotek kam ein Blick, als ob der sich jetzt fragen würde: Was für ein Kind?
    »Adoption!«, hat der Erste Bürgermeister sich selbst geantwortet. »Und der Pater ist sofort nach Würzburg versetzt worden. Dafür ist sein Neffe, über 20 Jahre später, jetzt auch im Klosterstift.«
    »Pater Martin?«, fragte Plotek.
    Jetzt hat der Erste Bürgermeister Brunner geschaut, als ob er tatsächlich einen komplett Schwachsinnigen vor sich hätte.
    Und aus Mitleid dann: »Nein, nein, der Guardian ist doch viel zu alt, als dass er. . . nein, nein, der Pater Manuel, den kennen Sie doch auch?«
    Nur ein Nicken von Plotek. Jetzt ist der Mercedes oben angekommen, auf der Höhe von Herzöd. Da hat Plotek dann angehalten, an einem Holzkreuz am Wegrand, als wollte er sagen: Wir sind da! Sagte er aber nicht, sondern stieg stattdessen aus dem Mercedes. Brunner hinterher. Eine blutrote Sonne blinzelte hinter Herzöd hervor, während Plotek auf das Holzkreuz schielte. Ein ganz schlichtes, aus zwei Dachlatten zusammengenageltes Kreuz steckte am Wegrand im Boden. Es stand nichts drauf, aber mit zwei Reiszwecken befestigt hing ein Fotoschnipsel daran.
    »Hier ist dem Milchfahrer Granz der Wagen über die Böschung hinuntergerauscht«, hat Brunner beim Blick auf das Kreuz gesagt. »Da unten ist dann die ganze Milch ausgelaufen und der Granz ersoffen.«
    Plotek zeigte auf das Fotoschnipsel am Kreuz und fragte:
    »Ist er das?«
    »Ja, das ist er, Granz, der junge Granz, noch ohne Bart, aber ansonsten ganz der Alte.«
    Drei Tote, drei Fotoschnipsel, dachte Plotek und wusste, dass sie alle von ein und demselben Bild stammten.
    Dann schwiegen beide wieder und schauten der Sonne, von hinter Herzöd kommend, beim Aufgehen zu. Wie lange die beiden da am Wegrand gestanden sind – keine Ahnung. Irgendwann hat Plotek sich dann von der Sonne wieder abgewendet und Brunner zu.
    »Ich schlage vor, Herr Brunner, jetzt fahren Sie wieder zurück!«, sagte Plotek und setzte sich auf den Beifahrersitz.
    Brunner ist ein Stein so groß wie die Herzöder Sonne vom Herzen gefallen. Er hat den ersten Gang eingelegt und dann Vollgas gegeben, zweiter, dritter, alles sah wie ein kurzer fahrtechnischer Anschauungskurs von Brunner aus. Plotek hat einen bewundernden Gesichtsausdruck aufgesetzt, in sich hineingelacht und bis zurück nach Altötting geschwiegen.
    Als der Mercedes wieder am Bruder-Konrad-Platz vorbeikam, sagte Plotek »noch drei Tage« und meinte die Premiere damit.
    »Ja, drei lange Tage«, hat Brunner geantwortet und dann kaum verständlich hinzugefügt: »Kann man nur hoffen, dass bis dahin nichts mehr passiert.«
    Natürlich konnte der Erste Bürgermeister nicht wissen, dass bis dahin noch allerhand passieren sollte. Aber egal.
    Dann hat Brunner Plotek am Hotel Eintracht aus seinem Mercedes aussteigen lassen, ihm noch eine »Gute Nacht« gewünscht, obwohl es schon früher Morgen war. Quasi Floskel. Die Sonne aus Herzöd schaute schon zwischen der Sankt-Anna-Basilika und der Bruder-Konrad-Kirche hindurch. Es war mittlerweile Viertel vor sechs.
    Der Alt-Neuöttinger Anzeiger lag schon aufgeschlagen auf dem Frühstückstisch. Die Wirtin saß, auch schon wach, daneben.
    Von Ploteks Zimmerdurchsuchung stand nichts im Anzeiger. Dafür einiges über Mengele. Ein anonymer Anrufer hatte nämlich nicht nur behauptet, dass im Spülkasten von Plotek ein blau-braun kariertes Hemd von Mutschler liegen würde. Ein Denunziant hat sich auch ein paar Minuten später beim Alt-Neuöttinger Anzeiger gemeldet und versichert, dass nicht eine Mark aus der Sparkasse beim Überfall gestohlen worden sei. Mengele hatte aber felsenfest behauptet, es wären sogar 57000. Folge: Einer lügt. Nur wer? Bei den Mühldorfer Kriminalen lagen die Nerven blank. Druck von der Presse, Druck von der Öffentlichkeit, Druck vom Polizeipräsidenten aus Oberbayern. Auch die Politik

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