Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
wollte. Da waren zunächst einmal die Träume, die sich als wahr erwiesen. Hilfreich wäre es in diesem Zusammenhang auch, etwas über magische Pferde wie Animus nachzulesen, die diese Kräfte in ihr verstärkten. Dann musste sie herausfinden, wie es ihr gelungen war, für einen Augenblick in Mirajs Gedanken zu blicken. Und natürlich sollte sie alles über den INVISIBEL-Zauber wissen und ebenso über weitere magische Sprüche, die sie eventuell auch beherrschen könnte. Anne dachte einen Moment nach. Ja, über die Grünmagier musste sie auch mehr erfahren. Kurz und gut: Es half alles nichts, sie musste in die Universitätsbibliothek.
Am Nachmittag machte Anne einen Abstecher in den Stall zu Blizzard. „Na, wie wäre es, wenn wir beide einfach nach Viriditas reiten würden, um herauszufinden, was wir wissen müssen?“ Blizzard wieherte. Anne fragte sich, ob er nun dafür oder dagegen war – doch immerhin war er nun schon einige Tage nicht galoppiert. Sie öffnete die Satteltasche und fand darin den Smaragd, den Miraj ihr gegeben hatte. Ja, das müsste genügen, um sich vor der Bibliothekarin auszuweisen. Und schließlich hatte Miraj die Frage von Fräulein Cassandra, ob Anne eine neue Studentin war, mit „ja“ beantwortet. Was sollte die Bibliothekarin also dagegen haben, wenn Anne einige Bücher auslieh? Sie beschloss, gleich am nächsten Tag in die Stadt zu reiten. Silvia würde sie eben sagen müssen, dass sie Sehnsucht nach Gisalen hatte und Mirajs Haushälterin besuchen ging. Ja, so wollte sie es machen, um endlich herauszufinden, was für Kräfte sie besaß.
Doch dann, mitten in der kommenden Nacht, erwachte Anne schweißgebadet. Sie hatte von den Schwarzmagiern geträumt, die den Hof ansteckten, und erneut den Tod ihres Vaters mit ansehen müssen. Nur hatte er diesmal den Kopf zu Anne gedreht und gesagt: „Räche meinen Tod! Spüre sie auf und töte sie, meine Tochter.“ Der Traum war so intensiv gewesen, dass Anne es mit der Angst zu tun bekam. Konnte sie nun tatsächlich auch mit den Toten reden? Sie stand auf, um einen Becher Wasser zu holen und sich so ein wenig zu beruhigen. Auf dem Weg die Treppe hinab wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und stellte fest, dass ihr ganzer Kopf glühte. Sie schleppte sich mühsam in die Küche, griff nach dem Wasserkrug und füllte etwas in den Becher. Sie führte den Becher zum Mund. Doch seltsamerweise waren die Schwarzmagier schon wieder da. Diesmal näherten sie sich Henri auf dem offenen Feld, wo sie ihn aufgegriffen hatten. Ihr Bruder schrie ihr ins Gesicht: „Schwester, komm und rette mich. Sie foltern mich, du musst mich befreien.“ Im nächsten Moment rissen sie ihn mit sich.
Anne kam wieder zu sich. Sie lag mit dem Kopf auf dem Küchenboden, Silvia kniete vor ihr. Anne sah Scherben um sich herum. Der Becher musste ihr aus der Hand gefallen sein. „Kind, was ist denn nur mit dir?“, fragte Silvia besorgt und streichelte Anne über das Gesicht. „Wasser“, bat sie. Dann fielen Annes Augen wieder zu und Silvia verwandelte sich in ihre Mutter. Sie war jung und schön wie damals, doch ihr Gesicht war von einem schwarzen Schleier bedeckt. „Komm, mein Kind. Räche mich, Anne, mein Liebling“, raunte sie ihr zu, ehe sie sich in schwarzen Rauch auflöste. Anne spürte etwas Nasses. Sie öffnete die Augen für einen kurzen Moment. Silvia wischte ihr Gesicht mit einem feuchten Schwamm ab. Anne wollte bei Bewusstsein bleiben, doch schon wieder veränderte sich Silvias Gesicht, diesmal in das ihrer Tante Gwynda, das sie in dem Buch gesehen hatte. Nicht der Schwamm, sondern Gwyndas lange rote Haare glitten über Annes Gesicht und die Nässe kam von ihren Tränen. „Anne, mein Kind und ich mussten sterben. Komm und räche uns. Geh zu den Schwarzmagiern und töte sie.“ Gwyndas Gesicht kam ihr nahe, ganz nahe, bis alles rot war wie der Blitz auf Annes verpatzter Hochzeit.
Anne war es, als habe sie Stunden in diesem Rot zugebracht. Dann öffnete sie langsam die Augen. Sie lag wieder in ihrem Zimmer in Silvias Haus. Sie trug Wadenwickel an den Beinen und jemand flößte ihr gerade eine furchtbar schmeckende Medizin ein. Miraj war gekommen. Anne griff nach seiner Hand. „Miraj. Bitte hilf mir. Mach, dass das Rot weggeht“, schluchzte sie und es kümmerte sie nicht einmal, dass sie sich wie ein Kind anhörte. „Anne, ich bin bei dir. Welches Rot? Sprich mit mir! Was siehst du?“ Doch Anne war es, als flöge sie davon. Sie flog viele Kilometer durch
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