Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
wiederum darauf zurückzuführen, dass sie von ihm geträumt hatte. Sie konnte also die Frage, ob er ihr Traummann war, nicht beantworten, weil sie ihn im Traum gesehen hatte. Anne lachte laut auf, als ihr dieser Gedanke durch den Kopf ging.
Sie wollte das Buch schon zur Seite legen, als ihr ein weiteres Stichwort einfiel, unter dem sie unbedingt nachsehen musste: die Schwarzmagier. Das Stichwort war vorhanden – und Anne über die Antwort tatsächlich ein wenig schockiert. „Träume von den Schwarzmagiern sind in den seltensten Fällen Ausdruck einer unbegründeten Angst vor dieser Spezies. Sehr häufig deuten sie auf eine drohende Begegnung mit den Schwarzmagiern hin – der Träumende spürt die Anwesenheit der Schwarzmagier. Ist die unmittelbare Nähe der Schwarzmagier auszuschließen, stellen die Träume meist eine Form der Kontaktaufnahme durch die Schwarzmagier dar. In diesen Fällen ist äußerste Vorsicht geboten, da wir nur begrenzten Einblick in die magischen Möglichkeiten dieses Volkes haben. Auf keinen Fall sollte sich der Träumende auf die Forderungen der Schwarzmagier im Traum einlassen.“
Bei der Warnung am Schluss lief es Anne kalt den Rücken herunter. Sie wagte kaum, zu Ende zu denken, was das für ihren Traum bedeutete. Nachdem sie dies gelesen hatte, musste sie ihre Lektüre eine Weile unterbrechen und hinunter zu Silvia gehen, die vor dem Kamin mit Nähen beschäftigt war. Anne brauchte die Nähe eines anderen Menschen, ganz gleich, ob dieser sie beschützen konnte oder nicht.
Silvia schien froh, sie zu sehen. Anne erkannte auf den ersten Blick, dass sie geweint hatte. Bestürzt fragte sie Silvia, ob etwas passiert sei. „Es ist nichts“, antwortete Mirajs Mutter schniefend. „Ich fühle mich nur manchmal einsam in dieser Welt voller Magie. Dass du zu mir gekommen bist, ein junges Mädchen ohne Kräfte, war für mich beinahe, als hätte ich meinen Sohn wieder. Doch jetzt, wo du Kräfte hast, wirst auch du mich wieder verlassen.“ Nach diesen Worten ging Anne zu ihr und berührte sie am Arm. Sie wollte etwas Tröstendes sagen, aber bevor ihr etwas einfiel, fuhr Silvia schon fort. „Es wäre einfacher, wenn ich unter meinesgleichen leben würde. Aber Miraj hat Angst um mich, wenn ich außerhalb der Schutzzone bin, weil …“ Silvia schluckte, bevor sie fortfuhr: „ … weil sein Vater noch irgendwo da draußen ist und mich finden könnte. Aber auch, wenn ich hier in Sicherheit bin – solange Magie mich umgibt, werde ich mich immer an das erinnern, was damals geschah.“
Anne schwieg betreten. Sie lebte nun schon eine ganze Weile in Silvias Haus und hatte sich nie gefragt, was aus dem Schwarzmagier geworden war, der Mirajs Vater war, noch ob die Erinnerung an diese Zeit Silvia zu schaffen machte. Sie sah Mirajs Mutter mitfühlend an und erkundigte sich vorsichtig: „Wie … wie war es denn bei den Schwarzmagiern ?“ Silvia schien einen Augenblick zu überlegen, begann dann aber: „Es ist über 30 Jahre her und doch erinnere ich mich an jede Einzelheit. Es war eine schlimme Zeit. Das dunkelste Kapitel in meinem Leben. Ich war noch keine 20, als die Schwarzmagier unser Dorf überfielen. Sie zündeten die Häuser an, plünderten die Scheunen, stahlen die Tiere. Sie töteten alle Männer des Dorfes, darunter auch meinen Vater und meine Brüder.“ Silvias Augen wurden feucht. „Meine Mutter und ich versteckten uns im Keller des Hauses. Doch als es oben brannte, mussten wir versuchen zu fliehen. Kaum hatten wir das Haus verlassen, waren wir schon in ihren Fängen. Sie fesselten uns und trieben uns und die anderen Frauen zusammen wie Vieh. Und dann brachten sie uns in den Norden. Zunächst ging es eine beträchtliche Weile zu Fuß. Doch bald trieben sie uns in kleinen Gruppen zusammen zu unserem jeweiligen Herrn und dieser beförderte uns mit einem Zauberspruch zu sich nach Hause.“ Anne nickte. Sie erinnerte sich an Henris Entführung. „Dort wurden wir zu zweit auf kleine Kammern verteilt. Meine Mutter war in eine andere Gruppe eingeteilt worden als ich, daher habe ich niemals herausgefunden, was mit ihr geschehen ist. Jeden Abend rief unser Herr eine andere auf sein Zimmer und verging sich an ihr die ganze Nacht. Wir anderen hörten ihre Schreie und fürchteten uns vor dem nächsten Mal, wenn wir an der Reihe waren.“ Silvia hielt inne. Sie hatte Gänsehaut und zitterte bei der Erinnerung.
„Eines Tages bemerkte ich, dass ich schwanger war. Ich hatte noch nie ein Kind im Haus
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