Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
Bücher aus der Bibliothek mitgebracht hatte, die sie nun lesen müsse. Nun konnte es Mirajs Mutter ja ruhig wissen. Silvia nickte nur gedankenverloren und starrte weiter in die Ferne. Doch als Anne die Treppe nun wieder hinaufging, um die Bücher zu studieren, rief sie sie zurück. „Anne? Jana hat mich noch um etwas gebeten.“ Anne wandte sich um. „Sie sagte, du solltest vorerst mit niemandem über deine Kräfte sprechen. Auch nicht mit Miraj. Es sei nicht gut, wenn der Hohe Rat davon erfahre.“ Anne wunderte sich, nickte aber. „Außerdem“, murmelte Silvia vor sich hin, „hat Miraj gerade andere Sorgen.“ Mit diesen Worten verschwand sie aus Annes Blickfeld. Diese zog die Stirn kraus. Miraj hatte Sorgen?
Kapitel 22: Die Gefangene
Bis spät in die Nacht las Anne in den Büchern und schon bald dachte sie nicht mehr an Miraj. Überhaupt schienen alle Sorgen und Probleme der letzten Zeit vergessen. Sie war einfach glücklich, endlich mehr über ihre Fähigkeiten und die wundersame Welt zu erfahren, die sie umgab. Eine Welt, in die sie nun doch zu gehören schien, ja, für die sie gemacht war.
Gleichzeitig warf die Lektüre zahlreiche Fragen auf und Annes Wunsch, mit jemandem über all dies zu sprechen, wuchs ins Unermessliche. Doch sie war nun zuversichtlich, dass sie sehr bald ihre vielen Fragen jemandem stellen konnte. Warum wohl sonst hätte die weise Samira sie rufen lassen?
Als Erstes hatte Anne sich das Buch „Leben im Traum“ vom Stapel genommen. Hieraus lernte sie, dass Zauberer sowohl magische als auch nicht-magische Träume hatten. Magische Träume waren dabei im Großen und Ganzen solche, die sich später als wahr erwiesen. Dagegen stellten nicht-magische Träume die Verarbeitung von Dingen, mit denen man sich den Tag über befasste, dar und unterschieden sich somit nicht von den Träumen gewöhnlicher Sterblicher. Anne merkte zu ihrer Enttäuschung sehr bald, dass ihr dieses Buch nicht wirklich weiterhalf. Es war sehr allgemein gehalten und befasste sich – in akademischem Stil – beinahe ausschließlich mit Definitionen. Sie stolperte über eine ganze Reihe von Fremdwörtern, die sie nicht verstand. Eigentlich hatte sie sich eine Antwort auf die Frage erhofft, ob ihr Traum von Miraj und der Hochzeit tatsächlich geschehen würde. Aber laut Buch konnte sie dies erst sicher wissen, wenn er schon wahr geworden war – oder eben nicht.
Im Anhang stieß sie dann aber doch noch auf ein paar interessante Informationen. Hier befand sich eine Art Lexikon, in dem die Bedeutung bestimmter Symbole in der Traumsprache erklärt wurde. Unter dem Stichwort „Hochzeit“ war zu lesen: „Träume von Hochzeiten sind in der Regel Ausdruck unerfüllter Sehnsüchte. Für die exakte Deutung kommt es darauf an, in welchem Verhältnis der Träumende zu dem Hochzeitspaar steht. Ist er selbst Teil des Brautpaars und kennt er die Braut oder den Bräutigam, so deutet dies auf den Wunsch hin, zu dem anderen eine engere Bindung einzugehen. Kennt der Träumende seinen Partner nicht, so entspricht dieser möglicherweise dem Idealbild des Träumenden, ist also buchstäblich Traummann oder Traumfrau. Hierbei ist zu beachten, dass magische Wesen im Gegensatz zu gewöhnlichen Sterblichen die Fähigkeit haben, in ihren Träumen tatsächlich lebende Personen zu sehen, die sie noch nie zuvor getroffen haben. Achtung: Dies besagt jedoch nicht, dass der Träumende diesen Traumpartner tatsächlich heiraten wird oder ihm überhaupt jemals begegnen muss.“
Anne war nun doch beeindruckt. Allein die Tatsache, dass sie von Miraj geträumt hatte und er dann tatsächlich aufgetaucht war, bedeutete also, dass sie magische Fähigkeiten hatte. Sie musste sich vorstellen, Henri hätte nicht beschlossen, seine Prüfung vorzuziehen – dann wäre sie Miraj unter Umständen niemals begegnet und hätte nicht erfahren, dass es den Mann aus ihren Träumen tatsächlich gab. Der Eintrag warf aber auch eine Frage auf: War Miraj so etwas wie ihr Traummann? Anne fand dies sehr schwierig zu beantworten. Miraj war gutaussehend, höflich, wohlhabend und charismatisch. Aber keiner dieser Gründe war für Anne ausschlaggebend, ihn so zu schätzen, wie sie es tat. Er hatte sich um sie gekümmert und sie gelehrt, sich in dieser neuen Welt zurechtzufinden. Sie hatten viel Zeit zusammen verbracht und gute Gespräche geführt. Das waren für Anne die Gründe, ihn zu vermissen. Ihr Wunsch, ihn bereits anfangs auf dem Hof näher kennenzulernen, war
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