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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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ein Spurenelement, ein Mikroorganismus, ein Nichts. Man könnte sich stundenlang mit Ihnen unterhalten, ohne auch nur einen klaren Satz, ein klares Bekenntnis zu hören.«
    »Im Gegensatz zu Ihnen«, spöttelte er. Seine Stimme klang heiser.
    »Genau. Sie bringen ja nicht einmal das Elementare eines Vater-Kind-Konflikts auf den Punkt. Missbrauch? Aber nie im Leben! Die beiden versöhnen sich doch! Friede, Freude, Eierkuchen. Das ist Ihre kleine, heile Welt, Herr Nerius, und natürlich spielt es keine Rolle, dass ich das so sehe. Nicht die geringste! Aber etwas anderes spielt eine Rolle: Ihre Frau sieht es genauso.«
    »Was?«, fuhr er auf.
    »Ihre Frau hofft seit Jahren auf einen Satz von Ihnen, der einmal nicht ausweicht, der keine Haken schlägt, der nicht versucht, es allen recht zu machen. Wenn Sie es allen recht machen wollen, machen Sie es keinem recht. Kleine Warnung aus dem Hause Koller, Nerius: Sie verlieren Ihre Frau, wenn Sie so weiterwursteln.«
    »Sie haben wohl den Arsch offen!«, rief er, zitternd vor Wut. »Meine Frau geht Sie überhaupt nichts an! Überhaupt nichts, verstehen Sie! Und unsere Ehe schon mal gar nicht! Was erlauben Sie sich?«
    »Wenn ich Buchmacher wäre, würde ich auf Ihre Scheidung setzen«, sagte ich verächtlich.
    Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf. Einen Moment lang lag eine Prügelei in der Luft. Sein hübsches Gesicht war fleckig, der Adamsapfel bewegte sich auf und ab. Er röchelte und musste sich mit einer Hand den Kragen lockern, um zu Atem zu kommen. Die andere zeigte derweil auf mich.
    »Sie erbärmlicher, gottverdammter Schuft!«, presste er hervor. »Wagen Sie es noch einmal, etwas über meine Frau und mich zu sagen. Ich will Sie hier nicht mehr sehen. Hauen Sie ab!«
    Ich rührte mich nicht.
    »Hauen Sie ab!«, brüllte er, um im nächsten Moment zur Tür zu blicken, hinter der seine Frau verschwunden war.
    »Peace«, sagte ich und grinste. »Sind wir nun quitt?«
    »Wie bitte?«
    »Ich schlage vor, wir sind es. Denken Sie an den Artikel über mich in den Neckar-Nachrichten. Da haben Sie sich in meine Arbeit eingemischt, ohne mich zu fragen. So wie ich mir eben erlaubt habe, mich in Ihr Leben einzumischen. Wollte mal sehen, ob man Sie nicht doch provozieren kann. Und ich bin froh, dass es mir mit der Erwähnung Ihrer Frau gelungen ist. Es spricht für Sie.«
    Fassungslos starrte er mich an. Sein Gesicht glühte. Die linke Hand, als sei sie selbstständig geworden, machte sich noch immer am Hemdkragen zu schaffen.
    »Nun lassen Sie sich nicht so schnell den Wind aus den Segeln nehmen!«, lachte ich. »War das schon alles? Hauen Sie mir wenigstens noch ein paar Schimpfwörter um die Ohren. Na, los! Bevor Ihre Frau zurückkommt.«
    »Den Teufel werde ich«, knirschte er. »Sie können mich mal. Wissen Sie eigentlich, wie lächerlich Sie sind?«
    »Manchmal, ja.«
    Schweigend starrten wir uns in die Augen. Sein Atem ging schwer. Langsam nahm er wieder Platz. Aus seiner Jacke fischte er ein Taschentuch und wischte sich damit über die Stirn.
    »Ich bin froh, dass unsere Zusammenarbeit beendet ist«, murmelte er. »Und dass sie nur kurz dauerte.«
    Ich schwieg.
    Dann kam Renate Urban zurück. Ob das Lächeln, das um ihre Lippen spielte, dem Gebrüll ihres Gatten oder dem Telefonat galt, war nicht zu entscheiden.
    »Noch jemand Tee?«, fragte sie und setzte sich.
    Nerius schüttelte stumm den Kopf. Ich ließ mir eine zweite Tasse einschenken.
    »Ja«, meinte sie, »das war wirklich ein interessanter Anruf. Sagt dir der Name Robert Usedom etwas, Wolfgang?«
    »Nein.«
    »Er behauptet, er sei Schriftsteller und ein guter Freund von Beatrice Petazzi gewesen. Außerdem bedauert er die Weißweinattacke auf Flavio letzten Mittwoch.«
    »Was?«, machte Nerius, während sein Blick von mir zu seiner Frau sprang. »Das ist doch kein Zufall, Herr Koller.«
    »Ist es auch nicht. Ich habe dem Mann geraten, sich bei Ihrer Frau zu entschuldigen.«
    »Wieso bei meiner Frau und nicht …«
    »Nicht bei Ihnen? Weil sie die Gedenkfeier veranstaltet hat. Weil es ihre Galerie ist. Weil sie den gesellschaftlichen Schaden hatte. Bei Signor Petazzi wird er sich ebenfalls entschuldigen, falls er es noch nicht getan hat.«
    Nerius schluckte. »Am Mittwoch sagten Sie, der Mann hieße Peter Müller und Sie würden ihn nicht kennen.«
    »Inzwischen kenne ich ihn. Er meldete sich am Tag darauf und nannte mir seinen richtigen Namen.«
    »Und er«, sagte Renate Urban, »hat diesen Text hier

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